Das Hintergrund-Interview:
Globaler Vorreiter bei Emissionen

MM: Herr Winning, was steckt hinter dem Emissionslabel der DGM?
Jochen Winning:
Die Grundidee ist einfach: Beim Verbraucher und im Objektbereich spielt Nachhaltigkeit und dabei insbesondere das Thema Emissionen mehr und mehr eine Rolle. Daher wollten wir dieses für Laien schwierige Thema möglichst transparent und verständlich darstellen. So entstand die Idee, das Prinzip der Energieverbrauchs-Kennzeichnung, die jeder kennt, auf Emissionen zu übertragen und Klassen zu bilden. Damit zeigen  wir Verbrauchern verständlich, in welcher Emissionsklasse sie sich bewegen, und sensibilisieren sie dafür, dass es Unternehmen gibt, die ihre Produkte dahingehend zertifizieren lassen.

MM: Gab es ganz konkrete Nachfragen nach einem solchen Siegel?
Winning:
Ja – interessanterweise aus dem Objektbereich, besonders von Hotelausstattern. Natürlich kann man  Kunden die RAL-GZ 430 erklären, aber diese ist sehr technisch und wer kein Chemiker ist, kann die dafür relevanten Substanzen und Grenzwerte nicht wirklich nachvollziehen. 
Daher ist in Zusammenarbeit mit führenden Prüfinstituten die Einteilung in vier farblich differenzierte Kategorien entstanden, die es dem Verbraucher einfach machen, nachzuvollziehen, ob er sich in A, B, C oder D bewegt.
Zunehmende Nachfragen kamen neben dem Umweltbundesamt auch über die Stiftung Warentest und die Verbraucherzentralen, mit denen wir ebenfalls eng zusammenarbeiten.
Dieses Interesse spiegelt sicher nicht den breiten Markt, aber es gibt auch den Verbraucher, der Wert legt auf Bio, sich Gedanken macht um Nachhaltigkeit, Energieverbrauch oder CO2-Emissionen – und diese Klientel macht sich auch Gedanken, was stelle ich eigentlich in meine Wohnung. Und genau die sprechen wir an.
Das ist zudem eine wachsende Klientel und wir erwarten durch das Label einen Marktvorteil, da es eine Differenzierung schafft – auch beim Export. Wir müssen Technologie- und Serviceführer sein, aber wir müssen zugleich auch bei solchen Themen die Nase vorne haben.

MM: Wie sind die vier Emissionsklassen denn genau definiert?
Winning:
Grundlage für die Substanzen sind dieselben Anforderungen wie beim Umweltzeichen Blauer Engel und dem Gütezeichen RAL-GZ 430. Die Differenzierung erfolgt durch die Emissionsklassen. Dazu haben wir diese bestehenden Anforderungs-Kataloge in Kategorien übersetzt – dann wird es verständlich. Ich muss nicht die Substanzen oder Grenzwerte verstehen.
Aber jeder versteht, dass es die Kategorien Grün, Gelb, Orange und Rot gibt,
und das ist unser Ansatz gewesen. Dabei entspricht Emissionsklasse A den hohen Anforderungen der RAL-GZ 430 sowie jenen des Blauen Engels, die Emissionsklasse D orientiert sich an den gesetzlichen Grenzwerten.

MM: Wie aufwendig ist eine Zertifizierung, zumal wenn man schon die Anforderungen der RAL-GZ 430 bzw. des Umweltengels erfüllt?
Winning: Das ist abhängig von den verwendeten Materialien, dem Modell und natürlich auch davon, welche entsprechenden Vorzertifizierungen schon vorliegen. Sind z. B. die Holzwerkstoffe schon geprüft, kann man deren Prüfzeugnisse heranziehen. Neben den Zulieferteilen wird immer auch das Endprodukt geprüft. Dazu werden aus den Komponenten repräsentative Musterprodukte gebildet und zertifiziert. Werden neue Komponenten aufgenommen, muss nachgeprüft werden.
Das ist insgesamt relativ aufwendig – zumal bei einer großen Komplexität der Materialien. Hinzu kommen die Prüfkosten: Eine kleine Kammerprüfung kostet rund 1.200 Euro, eine große ca. 3.000 Euro. Deswegen brauchen wir das enge Zusammenspiel zwischen Vorlieferant und Produzent, was wir bei der DGM bei Schadstoffen im Grunde seit 30 Jahren machen und was auch beim Blauen Engel funktioniert.

MM: Wie war die erste Resonanz auf das Siegel aus der Industrie?
Winning:
Spontan war die Nachfrage schon recht groß, da die Hersteller sich davon eine Differenzierung und damit einen Marktvorteil versprechen. Daher wurden zum offiziellen Start auf der imm cologne/Living Kitchen schon von 13 Firmen aus allen Bereichen zertifizierte Produkte präsentiert. Die aktuelle Herstellerliste ist unter www.emissionslabel.de einsehbar.
Wir haben selten so eine große Nachfrage gehabt, ohne jemand überzeugen zu müssen. Als wir vorgestellt haben, wie das Siegel aussieht, war nur noch die Frage: Wann können wir es haben. Nach der Messe erwarte ich nochmals einen kräftigen Schub. Und wenn dann noch mehr namhafte Unternehmen dabei sind, ziehen andere nach. Denn wir brauchen etwas, womit wir uns klar differenzieren können.

MM: Beim Goldenen M glänzt der Handel allerdings eher durch Zurückhaltung. Gibt es erste Reaktionen, dass er mit dem Emissionslabel offensiver umgehen könnte?
Winning:
Ich denke, ja – weil er dieses Label nicht mehr erklären muss. Das Problem ist, wenn er ein schwieriges Thema platziert, muss er es in irgendeiner Form erläutern. Wenn ein Verkaufsberater verständlicherweise bei Schadstoffen überfordert ist, wird es schwierig. Das neue Emissionslabel ist daher absolut selbsterklärend – und das war auch unser Anspruch.
Ich glaube, dass die Nachfrage nach dem Label stetig steigt und sich der Kunde Gedanken macht, warum hat das eine Möbel ein solches Label und das andere nicht? Zumal er heute vorm Möbelkauf im Internet recherchiert – und dort findet er solche Themen rund um Nachhaltigkeit gezielt und schnell.

MM: Neben dem Emissionslabel bekommt doch auch das Goldene M durch das Web eine völlig neue Plattform und damit nochmals einen ganz entscheidenden Schub? 
Winning:
Natürlich haben Internet-Vermarkter einen Nachteil: Da die Haptik fehlt, müssen sie anders Vertrauen gewinnen. Sie haben daher keine Berührungsängste wegen einer Diskriminierung ihrer übrigen Produkte. Und mit Zertifikaten belegen sie: Das Produkt ist neutral geprüft und überwacht, was dem Kunden zeigt, dass er sich keine Sorgen machen muss.
Ich glaube, dass auch das Goldene M davon stark profitiert – das spüren wir auch schon. Denn ich muss einem Produkt auch vertrauen. Und da jeder im Internet seine Produkte möglichst differenziert darstellen will, schreit dies geradezu danach, auch das Gütezeichen dort zu integrieren. Jetzt kommt das Emissionslabel als „Add on“: Das Goldene M muss ich erklären, aber das Emissionslabel zeigt auf einen Blick: alles im grünen Bereich. Daher glaube ich, dass es im Handel Relevanz bekommt, zumal die Nachfrage danach seitens der Verbraucher steigen wird.

MM: Wird das DGM-Label in der EU zum Vorreiter für ein einheitliches Emissionslabel werden?
Winning:
Das Thema Emissionslabel reift politisch in der EU immer mehr. In verschiedenen Ländern wie Frankreich gibt es Bestrebungen, etwas Ähnliches zu etablieren. Genau deshalb wollten wir auch die ersten sein. Wir arbeiten natürlich daran, dass unser Konzept auch in anderen Ländern Anwendung findet. Wir wollten ausdrücklich vermeiden, dass irgendeine gesetzliche Vorgabe kommt. Denn gesetzliche Vorgaben aus Brüssel kommen immer nur dann, wenn es eine Branche nicht schafft, etwas selbst zu regeln. 
Wir haben die EU-Kommission informiert und diese hat unsere Initiative ausdrücklich begrüßt. Wir stehen auch mit dem Umweltbundesamt, dem DIN-Verbraucherrat und Verbraucherschützern in Kontakt, um eine breite Basis zu bekommen.

MM: Herr Winning, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch

Foto/Grafik: Schultheiß/DGM

Das neue Emissionslabel der DGM bezieht sich auf Sitzmöbel, Kastenmöbel, Tische, Büromöbel, Lattenroste und Matratzen. Die entsprechenden Schadstoffprüfungen neutraler Prüfinstitute erfolgen auf Basis der RAL-GZ 430 oder des Blauen Engels. Zertifizierte Möbel müssen in den ersten drei Jahren jährliche und danach zweijährliche Folgeprüfungen bestehen. 

Klassifizierung und relevante Grenzwerte finden Sie unter www.emissionslabel.de.

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