DGM-Klimapakt
Aufbäumen gegen Klimawandel!

„Die massiven Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Natur sind unaufhaltsam, dennoch müssen wir uns alle der Verantwortung stellen, die wir den Kindern, nachfolgenden Generationen und der Umwelt gegenüber haben“, appelliert Jochen Winning. Er ermutigt die Möbelhersteller zur Teilnahme am Klimapakt, um damit einen wichtigen Beitrag zum 1,5°-Ziel der UN zu leisten.

Das Fundament des Klimapakts bildet die CO2-Bilanz eines Unternehmens. Möbelhersteller, die sich ihm anschließen, berechnen jährlich auf Grundlage geltender Standards diesen „Carbon Footprint“. Der setzt sich zusammen aus direkten und indirekten Treibhausgas-Emissionen, die in drei Bereiche,  die Scopes, unterteilt sind.

Alle direkten Emissionen wie Treibstoffe für firmeneigene PKW und LKW sowie Heiz-, Wärme- oder Kühlmittel zählen zu Scope 1. Indirekte Emissionen aus der Erzeugung selbst beschaffter Energie wie Strom, Fernwärme, Dampf oder Kühlungsenergie werden in Scope 2 erhoben. Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen, die aus dem Ablauf aller täglichen Prozesse und dem Produkt-Lebenszyklus
resultieren – von der Anfahrt der Mit-
arbeiter über externe Logistik und Wasserverbrauch bis zur Nutzung der Produkte durch den Endkunden.

Da viele gewerbliche Emissionen unvermeidbar sind, können Unternehmen hochwertige Klimaschutz-Zertifikate aus dem Gold-Standard von Projektbetreibern auf der ganzen Welt erwerben und damit diese unvermeidbaren CO2-Emissionen kompensieren. Ein Zertifikat entspricht dem Gegenwert einer Tonne an Emissionen. Alle Teilnehmer des Klimapaktes erhalten das DGM-Klimalabel. 

Das Konzept wurde zusammen mit Georg Radermacher (LLB, MIB), Klimaschutzberatung BEaZERO.org, und Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher (Dr. h. c.), Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW/n) in Ulm, entwickelt. Für die Zukunft  strebt die Gütegemeinschaft an, klimaneutrale Hersteller und Möbel besonders auszuzeichnen.

 Das Hintergrund-Interview: 
„Wir wollen kein Green Washing!“

MM: Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher (Dr. h. c.) und Georg Radermacher hat die DGM den Klimapakt ausgearbeitet und dazu auch drei Pilotprojekte durchgeführt. 
Jochen Winning: Wir mussten erst wissen, wo wir mit unserer CO2-Bilanz überhaupt stehen. Daher haben wir in den Bereichen Massivholz, Spanplatte und Polstermöbel – bei den Firmen Decker, Rudolf und W.Schillig – Pilote initiiert. Aufgrund deren Ergebnisse haben wir entschieden, dreistufig vorzugehen: mit den Auszeichnungen Klimapakt für Scope 1 und 2 und Klimaneutraler Möbelhersteller für Scope 1, 2 und 3, transparent berechnet und relativ einfach verständlich. 
Die jeweils berechnete CO2-Bilanz zeigt auf, wo CO2-Emissionen reduziert werden können. Etwa durch Umstellung von herkömmlichem Strom auf echten Ökostrom, was in der Möbel-
industrie den größten Effekt hat. Auch die Materialien haben natürlich einen Einfluss: Massivholz ist klimaneutral, es werden aber auch alle weiteren Werkstoffe wie Glas, Öle, Metall oder Beschläge mit einberechnet. Bei Polstermöbeln belastet das größere Transportvolumen die Bilanz stärker. 
Daher kann der Hersteller seine CO2-Emissionen durch Maßnahmen reduzieren und – wenn er damit am Ende ist – den Rest kompensieren. Als Erster hat Decker seine komplette CO2-Negativbilanz von Scope 1 bis Scope 3 – den Produkten über die Fertigung bis zu allen Transportwegen – reduziert und den Rest kompensiert.

MM: Wie negativ war bei den Pilotpartnern die Bilanz eigentlich ohne Kompensation – bei den Massivholz-Möbeln doch sicher besser?

Winning: Im Vergleich ist sie dort tatsächlich besser. Man kann das aber nicht pauschal sagen, sondern muss es für jeden Betrieb einzeln berechnen. Eine Tonne CO2 kostet zwischen drei und 30 Euro je nach Projekt. Nur für Scope 1 und 2 müsste ein Massivholz-Hersteller ungefähr 3.000 Euro ablösen. Nimmt er aber Scope 3 mit dazu – was Decker gemacht hat –, muss er zwischen 12.000 und 19.000 Euro kompensieren – je nach dem, welche Wege er dabei geht. 

MM: Ein „Freikauf“ wird doch gerne als „Green Washing“ abgetan. Wie geht die DGM denn damit um?
Winning: Dem haben wir uns gestellt: Wir wollen kein Green Washing! Das erste Ziel ist daher immer die CO2-
Reduzierung. Erst bei der CO2-Menge, die dann noch übrig bleibt, greift die Kompensation – aber nicht so, wie es sonst oft kritisiert wird. 
Denn wichtig ist, dass wir als DGM gemeinsam mit den Herren Radermacher ausgewählt haben, welche Projekte zulässig sind und welche nicht. Wir richten uns dabei strikt nach dem anerkannten Gold-Standard. Das heißt, wir schreiben vor: Mit diesen Projekten darfst du kompensieren. 
Gesetzlich wären auch Projekte unter Gold-Standard zulässig: Unternehmen können sich z. B. für 50 Cent ein Windenergie-Zertifikat in Thailand kaufen. Oder es gibt sehr große Unterschiede, ob ich echten Ökostrom habe oder Pseudo-Ökostrom, bei dem der Anbieter seinen herkömmlichen Strom durch Zertifikate ablöst.
Da wird viel Schindluder getrieben. Das wollen wir nicht, weil uns ganz wichtig ist, das unser Klimapakt nicht als Green Washing gesehen wird. So werden wir es auch kommunizieren. Als Verbraucher können Sie im Internet einsehen, welche Projekte bei uns auf der Kompensationsliste stehen – das machen wir ganz transparent.
MM: Welche Hürde gibt es, dass ein Hersteller nicht sagt: Wunderbar, ich kaufe mich einfach komplett frei?
Winning:
Das könnte er im ersten Schritt tun, muss aber nach zwei Jahren nachweisen, welche Reduzierungen er seither vorgenommen hat. Denn ähnlich wie bei der RAL ziehen wir die Anforderungen immer weiter an. Daher muss er nach zwei Jahren schauen, welche weiteren Reduzierungs-Möglichkeiten es gibt und uns nachweisen, was er diesbezüglich getan hat. Das ist ein ständiger Prozess.
Neu und ein weiterer Vorteil unseres Klimapaktes ist auch, dass wir seine Einhaltung überwachen können. Der Werksprüfer sieht beim Audit die Unterlagen wie Jahresbilanz und Jahresrechnungen ein. Die meisten anderen machen das nicht. 

MM: Und um welche Quote muss er sich alle zwei Jahre verbessern?
Winning:
Diese Zielquote legen wir in unserer Arbeitsgruppe noch fest. Dazu müssen wir erst noch mehr Berechnungen haben, um zu wissen, wo wir stehen und um die Machbarkeit berücksichtigen zu können. 

MM: Wie aufwendig ist das Klimapakt-Prozedere für einen Hersteller?
Winning:
Die Berechnung der Bilanz führt Georg Radermacher durch. Allerdings entwickeln wir ein Berechnungstool für unsere Website, damit die Firmen selbst auf Knopfdruck ihre Bilanz erhalten. Denn wir wollen den Klimapakt auch für die Hersteller so leicht und nachvollziehbar wie möglich machen. Daher gibt es für DGM-Mitglieder lediglich bei ihrer Werksprüfung einen neuen Punkt im Protokoll – und auch keine Zusatzkosten. 

MM: Wird sich der Klimapakt aber in der Industrie und vor allem auch im Handel tatsächlich durchsetzen?
Winning: Die Resonanz in den Gesprächen mit verschiedenen Möbelherstellern war sehr gut. Jeder, der sich damit beschäftigt, nimmt es positiv auf. Selbst Nicht-Mitglieder haben sich dazu schon gemeldet. 
Auch große Möbelhändler haben Interesse angemeldet, mit denen es dazu Gespräche geben wird. Denn alle suchen nach Ansätzen, das schwer greifbare Thema Nachhaltigkeit nach außen  kommunizieren zu können kann. Und wir schaffen das Instrument dafür. 
Ich glaube, die Industrie wird den Klimapakt annehmen, weil das Thema für alle Branchen sehr wichtig geworden ist und die Unternehmen mehr und mehr wissen wollen, wo sie stehen. Und für ein Hersteller ist es eine Differenzierungsmöglichkeit, zu sagen: „Jawohl, wir stehen zum Klimapakt und erfüllen ihn mit Leben!“ Denn das ist das Wichtige: die Emissionen zu reduzieren. Und da, denke ich, machen wir einen deutlichen Schritt nach vorne. 

MM: Wie alle Siegel – wie auch das „Goldene M“ – ist gerade ein glaubwürdiges Klima-Siegel für den Online-Vertrieb ideal – während der stationäre Handel solche Potenziale oft nicht nutzt – oder nutzen kann.
Winning: Ja, solche Siegel können im Internet sehr leicht und plakativ kommuniziert werden, wohingegen im stationären Handel der Verkäufer wahrscheinlich erst einmal überfordert ist. Genau diese Entwicklung sehe ich auch – das macht aber nichts.
Im ersten Schritt muss die Industrie informieren, dann wird der Handel dafür sorgen, dass der Verkäufer es erklären kann; denn ich merke, dass er solche Themen sucht. Und es ist ein sehr positives Argument, wenn er sagen kann: Dieser Möbelhersteller ist klimaneutral. Das ist heute von immer größerer Bedeutung.

MM: Herr Winning, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

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