EuroCis 2016
Digitalisierung des Point of Sale

Die EuroCIS, als Spin-off der alle drei Jahre stattfindenden EuroShop gestartet, hat sich längst emanzipiert und als eigenständige Messe etabliert. Sie ist die führende Technologiefachmesse für den Handel und Technologie heißt inzwischen eigentlich immer auch digital. Neben Kassensystemen und Payment-Lösungen stehen heute vor allem die Umsetzung von Omnichannel-Strategien, der Dialog mit dem Kunden und Mobile Solutions im Mittelpunkt. Die 2016er-Auflage der jährlich sttafindenden EuroCIS konnte mit 411 Ausstellern und 10.400 Fachbesuchern die Bestmarke aus dem vergangenen Jahr noch einmal deutlich toppen.

Gestatten, Watson!

Zu den wohl spannendsten Produkten auf der EuroCIS gehörte „Watson“. Und wer jetzt an den legendären Assistenten von Sherlock Holmes denkt, liegt gar nicht so falsch, denn „Watson“ denkt analytisch, ist wahnsinnig clever und soll, so der Wunsch seiner Schöpfer vom Technologiekonzern IBM, die Art und Weise verändern, wie Unternehmen künftig denken, handeln und arbeiten. „Watson“ ist ein kognitives Computersystem, das aus unermessslich vielen Quellen Daten gewinnen, aus diesen lernen und Schlüsse ziehen kann, die auch dem Meisterdektektiv Holmes alle Ehre gemacht hätten. IBM demonstrierte die Fähigkeiten von „Watson“ an einer Smoothie-Bar. Anstatt einen Drink selber zu wählen, beantwortete der Besucher ein paar einfache Fragen zu persönlichen Vorlieben (die gar nichts mit Speisen und Getränken zu tun haben mussten) und „Watson“ schlug einen hierzu stimmigen Smoothie vor – nach einem Rezept, das der Computer im Vorfeld ebenfalls nach Studie unzähliger Online-Quellen zum Thema selbst entwickelt hatte. Was das für den Handel bedeuten kann, davon kann sich man sich auf der amerikanischen Website des Outdoor-Bekleidungs-Herstellers The North Face ein Bild machen. Unter der Rubrik „Expert Personal Shopper“ kann man „Watson“ in normaler Sprache erklären, für welchen Zweck oder Einsatzort man eine Jacke sucht, und schon wird einem das passende Kleidungsstück vorgeschlagen. IBM-Experte Marcus Groß sieht hierin auch für die Möbelbranche große Chancen. So könne das System lernen, den potenziellen Kunden Fragen zu ihrer aktuellen Einrichtung zu stellen, um dann das zu den vorhandenen Möbeln passende Sofa vorzuschlagen, egal ob online oder als Verkaufsunterstützung im Store. Schließlich überfordert in den größten deutschen Möbel-Palästen bereits eine vierstellige Anzahl an Garnituren den Kunden bei der Auswahl. Für die Zukunft ist auch denkbar, dass der Kunde ein Bild von seiner aktuellen Wohnwand mitbringt und Watson dazu ein passendes Sofa oder weitere Beimöbel vorschlägt.

Auf Fingerzeig reagieren

Bei Microsoft demonstrierten verschiedene Partner des Softwarekonzerns, wie Kunden mit digitaler Hilfe weiterführende Informationen zu Produkten bekommen können. Neben Instore-Konzepten sind hier auch Schaufenster-Lösungen möglich. Ein solches System hat beim Luxus-Artikel-Hersteller Mont Blanc in den eingesetzten Filialen bereits den Umsatz nachhaltig gesteigert, weil Kunden so auf zielgruppenspezifische Produkte aufmerksam gemacht wurden, die ihnen sonst entgangen wären. Das auf der Messe gezeigte System nahm mit einer von der Microsoft-Spielekonsole „Xbox One“ bekannten „Kinect“-Kamera die Gesten der Kunden auf, die auf ein bestimmtes Produkt zeigten. Hierzu können dann nähere Informationen oder passende Crosselling-Produkte angezeigt werden. Denkbar ist auch, dass ein Kunde ein bestimmtes Stoffmuster vor die Kamera hält und dann das Wunschsofa in der entsprechenden Ausführung angezeigt bekommt – im Möbelhandel kann so eine Präsentation die Kaufentscheidung sicher forcieren und beschleunigen.

Ist dabei sein alles?

Uli Spaan, Mitglied der Geschäftsführung beim Mitveranstalter der EuroCIS, dem EHI Retail Institute, erläuterte im Gespräch mit dem MÖBELMARKT, wie wichtig es sei, eine Omnichannel-Strategie auch bis zum PoS im stationären Handel durchzuziehen, um dem Kunden immer das optimale Einkaufserlebnis zu bieten. Zu den wichtigsten Trends zählte er ebenfalls die Mobilität. Das Smartphone des Kunden könne in den Prozess eingebunden werden, indem es beispielsweise den Kunden für das Verkaufspersonal identifiziert, wenn er den Laden betritt und so dem Verkäufer Präferenzen angezeigt werden: „Die Kundenakzeptanz für solche Lösungen wächst. Schließlich akzeptiert der Kunde eine solche Verwendung seiner Daten bereits im Web, warum also nicht auch am Point of Sale?“, so Spaan. Aber auch die Ausstattung des Verkaufspersonals mit mobilen Geräten für ihre Aufgaben sind für ihn einer der zentralen Trends: „Multi- oder Omni-Channeling muss ohne Brüche bei den Daten oder beim Verkaufserlebnis erfolgen“, ist Spaans Überzeugung. Deswegen sei die Datenanalyse von zentraler Bedeutung. Im Web gewonnene Daten müssen mit denen aus dem stationären Geschäft verknüpft werden – und umgekehrt.

Spaan sieht aber auch branchenspezifische Besonderheiten, die das Online- und Multichannel-Wachstum ausbremsen können: „Baumärkte und Möbelhändler tun sich hier oftmals schwerer. Ihre Produkte sind oft schwer und sperrig“, erklärt er die Probleme der Branche im Distanzhandel. Viele neue Ideen würden aktuell einfach ausprobiert, um dabei zu sein und aus Angst, einen Trend zu verpassen. Ob all dies wirtschaftlich sei, müsse sich noch zeigen.  E-Commerce-Aktivitäten wirtschaftlich funktionsfähig zu gestalten sei nicht nur für etablierte Möbelhändler, sondern auch für die Internet-Pure-Player schwer, weswegen diese inzwischen ja auch ins stationäre Geschäft strebten: „Nicht alle Branchen sind eben gleichermaßen für das Online-Geschäft geeignet. Das sehen wir ja auch im Lebensmittelhandel. Auch hier ist der Online-Einkauf bisher nur für eine sehr kleine Zielgruppe interessant.“

Den Königsweg für die Zukunft können dem Möbelhandel also weder die EuroCIS noch Uli Spaan aufweisen. Dennoch ist die Digitalisierung des Handels nicht aufzuhalten – nur eben mit branchenspezifischen Lösungen. Arnd Schwarze

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