Halbjahresbilanz der deutschen Möbelindustrie:
Branche wächst über Erwartung

Die Erwartungen sind laut VDM-Präsident Axel Schramm übertroffen worden. Nach dem erfolgreichen Jahr 2015 mit einem Umsatzplus von 6,2% legte die deutsche Möbelindustrie im ersten Halbjahr 2016 noch einmal zu und erzielte bei einem Umsatz von 8,9 Mrd. Euro ein Wachstum von 4,9% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015. 

Das Statistische Bundesamt weist also insgesamt ein starkes Wachstum für die Branche aus. „Bei den Halbjahresergebnissen ist damit das Vorkrisenniveau von 2008 wieder überschritten“, so Schramm.

Küchenmöbelhersteller mit Rekord-Umsatz

Allerdings gibt es doch Unterschiede in den einzelnen Segmenten. Das größte Teilsegment, die Wohnmöbel, konnte seinen Gesamtumsatz um 4,1% auf fast 3,67 Mrd. Euro steigern (vgl. Grafik 2). Die Büro- und Ladenmöbelhersteller erreichten bei einem Plus von 7% einen Umsatz von knapp 1,82 Mrd. Euro.

Die großen Gewinner sind die Küchenmöbelhersteller. Das zweitgrößte Segment der Branche verzeichnete einen kräftigen Umsatzanstieg um 7,2% und erreichte damit einen neuen Rekord-Halbjahresumsatz von 2,43 Mrd. Euro. 

Auch zwei Verlierer gibt es im ersten Halbjahr 2016. Bei Matratzen ließ der Umsatz leicht um 1,3% auf knapp 460 Mio. Euro nach. Die Polstermöbelindustrie verlor 0,5% und kommt auf einen Umsatz von fast 540 Mio. Euro.

Risiken und Chancen der Globalisierung

„Die Produktion von Möbeln in Deutschland wird immer schwieriger und stellt uns vor große Herausforderungen“, so Schramm. Gerade auch im Hinblick auf die zahlreichen Insolvenzen sind die Auswirkungen der noch immer zunehmenden Globalisierung des Möbelmarktes spürbar. Die Kosten für die Produktion sind im Ausland niedriger. Dies geht in direkter Konkurenz zu Lasten deutscher Produzenten.

Allerdings erkennt Schramm auch Chancen durch die Globalisierung für die deutschen Möbelhersteller. So liegen die Stundenlöhne im osteuropäischen Ausland mindestens 50% unter den deutschen Entgelten. „Der Kostenvorteil ist damit erheblich und kann für einige Unternehmen erfolgsentscheidend sein“, merkt Schramm an. Gerade für Segmente mit besonders hohem Lohnkostenanteil, wie Polstermöbel, scheint eine Auslagerung der Produktion ins Ausland sinnvoll. Tatsächlich geht aus einer Studie der Fachverbände des VDM hervor, dass Unternehmen, die schon jetzt eine eigene Produktion im Ausland betreiben bzw. im Ausland fertigen lassen, besonders erfolgreich sind. „Dies belegt, dass eine mit Augenmaß betriebene Internationalisierung auch des eigenen Geschäfts in Deutschland hochwertige Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden können“, führt Schramm aus.

Küchenmöbel: Erfolg durch Industrie 4.0

Komplett anders sieht es in der Küchenmöbelindustrie aus. Die Produktion der deutschen Küchenhersteller erfolgt fast ausschließlich in Deutschland. Und das mit Erfolg. Der Halbjahresumsatz liegt - weiter stabil wachsend - seit fünf Jahren bei über 2 Mrd. Euro. 

„Die stark nationale Fertigung ist möglich, weil die Hersteller früh auf Automatisierung, Standardisierung und Digitalisierung gesetzt haben. So entsteht ein kosteneffizienter und international wettbewerbsfähiger Prozess“, sagt Schramm. Das Stichwort ist hier Industrie 4.0. Die Küchenindustrie nutzt schon etliche Bausteine davon. In erster Linie geht es bei Industrie 4.0 um die Optimierung des Produktionsprozesses. „Durch Nutzung IT-gestützter Vernetzung innerhalb der eigenen Produktion und der externen Schnittstellen können Prozesse automatisiert, digitalisiert, beschleunigt und damit kostengünstiger gemacht werden“, erklärt Schramm. Die Investitionen dafür seien zwar zunächst hoch, allerdings würden sie sich auf Dauer lohnen. „Die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden. Hier liegen riesige Kostenhebel, und so reift auch in Deutschland internationale Wettbewerbsfähigkeit“, betont der VDM-Präsident.

Exportquote leicht im Plus

31,7% aller in Deutschland produzierten Möbel gehen ins Ausland. Damit hat sich die Exportquote seit der Jahrtausendwende verdoppelt. Besonders die Wertschätzung für Möbel „Made in Germany“ sei im Ausland angesehener denn je. In Sachen Design, Qualität und Verarbeitung könne sich die deutsche Möbelindustrie von der internationalen Konkurrenz absetzen. 

Der Gesamtexport legte im ersten Halbjahr 2016 um 2,0% auf 5,2 Mrd. Euro zu. Besonders positiv unter den Top 20 haben sich die Exportzahlen in Tschechien mit einem Plus von 16,9% auf 205,2 Mio. Euro entwickelt (vgl. Tabelle 1). Auch Italien und die Niederlande legten mit 7,7% (175,9 Mio. Euro) und 8,0% (408,2 Mio. Euro) ordentlich zu. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir hier in den letzten Jahren auch deutlich verloren haben und jetzt - von niedrigerem Niveau – wieder zulegen“, schränkt Schramm ein. Insgesamt entwickelte sich der Absatz in die EU-Länder mit 2,8% auf 3,637 Mrd. Euro (vgl. Grafik 3) etwas besser als der Gesamtexport. Trotz der Tatsache, dass der Umsatz im wichtigsten internationalen Absatzmarkt Frankreich mit 1,7% und 672,1 Mio. Euro etwas nachgelassen hat (vgl. Tabelle 1). 

Ein Blick zehn Jahre zurück verrät, dass der Export nach Frankreich im ersten Halbjahr 2006 um 18,5% gewachsen ist. Polen mit 97,3% und Italien mit 30,2% waren damals unter den Top 20 die Länder mit den größten Steigerungsraten. Der Gesamtumsatz von Januar bis Juni 2016 lag bei 2,75 Mrd. Euro und wuchs im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015 um 14,1%.

Negative Prognose durch Brexit

Im Gesamtjahr 2015 betrug das Exportwachstum deutscher Möbel in Großbritannien noch 10%, womit der britische Markt seine positive Tendenz der letzten Jahre fortsetzte und so zu einem der wichtigsten Wachstumsmärkte deutscher Möbelhändler wurde. 

Im ersten Halbjahr 2016 wies der Exportumsatz nach Großbritannien noch ein Plus von  2,5% aus (vgl. Tabelle 1). Schramm erwartet einen weiteren Rückgang durch den Brexit und weitere negative Auswirkungen auf die deutsche Möbelindustrie. „In Großbritannien werden die Wirtschaftsdaten nachlassen und die Konsumlaune der Verbraucher sinken. Zudem führt der Verfall der britischen Währung zu einer deutlichen Verteuerung von Möbeln ‚Made in Germany‘ und zu einem Kaufkraftverlust der britischen Konsumenten“, warnt der VDM-Präsident.

Aktuell liegt der britische Markt mit einem Exportwert von 364,5 Mio. Euro auf Platz fünf der deutschen Möbelexporte weltweit. „Die durch den Brexit resultierende Nachfrageminderung könnte langfristig die in den letzten Jahren hart erarbeiteten Erfolge unserer Branche in Großbritannien zunichtemachen“, so Schramm. „Dies tut uns sehr weh.“

Import leicht positiv

„Der Möbelimport bleibt eine Herausforderung für die Branche“, so der VDM-Präsident. Hier ergab das erste Halbjahr 2016 eine Steigerung um 1,8% auf 6,4 Mrd. Euro. Insgesamt liegt die Importquote bei 62% und hat sich innerhalb der letzten 15 Jahre verdoppelt. Die Top 3 der Möbelherkunftsländer – Polen, China und Tschechien – vereinen alleine 53,3% aller deutschen Möbelimporte auf sich. Dabei ist der Import aus China  mit einem Minus von 3,1% und 1,012 Mrd. Euro leicht rückläufig (vgl. Tabelle 2). Die importierten Möbel aus Polen (+8,1% auf 1,589 Mrd. Euro) und Tschechien (+18% auf 812,5 Mio. Euro) legten hingegen zu. „Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es mittlerweile nicht mehr nur um den Import von Möbeln im untersten Preissegment geht. Auch in den traditionell von deutschen Herstellern stark besetzten Segmenten entsteht internationale Konkurrenz. Besonders stark sind unsere osteuropäischen Nachbarn“, erklärt Schramm. Auch der Anteil aus Ostasien ist nach wie vor hoch. Allerdings kündigt sich hier eine Verschiebung an. Während der Import aus China rückläufig war, stiegen die eingeführten Möbel aus Taiwan um 26,1%.

Vor zehn Jahren, im ersten Halbjahr 2006, führte die deutsche Möbelindustrie Möbel im Wert von 3,6 Mrd. Euro ein. Das bedeutet eine Steigerung von 77,8%. Polen war damals schon die Nummer eins. Der Umsatz hat sich von 855,1 Mio. Euro auf 1,59 Mrd. Euro fast verdoppelt. Gar fast vervierfacht hat sich der Importumsatz aus China. Wurden im ersten Halbjahr 2006 noch Möbel im Wert von 295,4 Mio. Euro importiert, liegt der Wert heute bei 1,01 Mrd. Euro.

Neue Wege im Möbelhandel

Während der Umsatz des gesamten deutschen Möbelhandels 2015 um 4,3% auf 32,8 Mrd. Euro zulegte, lag die Steigerungsrate im Versandhandel  mit 14% etwa dreimal so hoch. Der Anteil des Online-Handels daran liegt mit 6% und rund 2 Mrd. vergleichsweise niedrig. Allerdings werden 80% der Güter bereits online gekauft. Der niedrige monetäre Anteil ist damit zu erklären, dass teure Käufe nach wie vor im stationären Handel getätigt werden. „Mengenmäßig betrachtet liegt der Anteil also höher. Daher ist der OnlineHandel deutlich marktprägender als es die 6% nahelegen,“ so Schramm. 

Deshalb sieht der VDM-Präsident den Handel auch als wichtigsten Partner der deutschen Möbelindustrie. „Wir brauchen in Zukunft aber ein anderes Miteinander und auch hier eine konsequente Nutzung IT-gestützter und vernetzter Lösungen. Der Kunde verändert sein Verhalten: Er wird komplizierte Prozesse, lange Lieferzeiten und mehrstufige Vertriebe immer weniger akzeptieren“, führt Schramm aus. „Wie müssen dieser Entwicklung Rechnung tragen und unsere gemeinsamen Prozesse noch stärker auf Online-Möglichkeiten ausrichten. Gemeinsam mit dem Handel müssen wir den Kunden anders in den Mittelpunkt stellen.“

Aufschwung im zweiten Halbjahr?

Einen „moderaten Aufschwung“ erwartet Schramm für das zweite Halbjahr 2016. Dies liegt hauptsächlich an „anhaltender Konsum- und Bautätigkeit.“ Negativ auf die Stimmung drücken dagegen der Brexit und internationale Krisen, die auch die Verbraucher in Deutschland immer mehr verunsichern. Deshalb haben Wirtschaftsforschungsinstitute die Aussichten für 2016 auch nach unten korrigiert. „Das Exportgeschäft dürfte in der zweiten Jahreshälfte auch deutlich an Dynamik verlieren. Deshalb gehen wir für das Gesamtjahr 2016 von einem Gesamtergebnis in Höhe von rund 3,5% aus.“ Andreas Steger

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