Österreichische Möbelindustrie
Podium: Wie sozial und fair ist Möbeldesign?

Es lag Zündstoff in der Luft der Österreichischen Botschaft in Berlin. Und das war durchaus gewollt. Schließlich ging es bei der Podiumsdiskussion um Grundwerte wie Ethik, Moral und Nachhaltigkeit in Verbindung mit Design und Möbelherstellung. Themen, die nicht nur die Gemüter der geladenen Professoren, Designer, Unternehmer und Wissenschaftler auf dem Podium erhitzte, sondern auch bei den 70 Gästen im Publikum für kontroverse Debatten sorgte.

Unter der Headline „Ethik und Ästhetik – ein Luxusproblem?“ hatte der Verband der Österreichischen Möbelindustrie, in Kooperation mit der Handelsabteilung der Botschaft, engagierte Persönlichkeiten, wie  Prof. Dr. Bernd Wegener von der Humboldt-Universität in Berlin und Mag. Silvio Kirchmair, CEO der Umdasch Shopfitting Group, eines der ältesten und größten österreichischen Ladenbau-Unternehmens im Familienbesitz, eingeladen. Auch  Dr. Georg Emprechtinger, Vorsitzender der Österreichischen Möbelindustrie und CEO Team 7, war vor Ort. Über die Vereinbarkeit von Design und Nachhaltigkeit und die Verantwortung für einen Wertewandel diskutierten außerdem Produktdesigner Prof. Jacob Strobel von der Fakultät für Angewandte Kunst Schneeberg, die österreichische Modedesignerin Marina Hoermanseder und Dr. Günther Reifer, Gründer und Inhaber des Terra Institute. Durch die Debatte führte Prof. Katrin Androschin von der Fachhochschule Dresden und Geschäftsführerin von Embassy.

Muss Schönheit einen Zweck haben?

Gleich nach der Begrüßung ging es ans Eingemachte: Gehören Ethik und Ästhetik überhaupt zusammen? Für Prof. Dr. Bernd Wegener von der Humboldt-Universität unter Berufung auf Kant auf keinen Fall. „Ethik und Ästhetik haben nichts mit einander zu tun“ – heizte der Professor die Diskussion an. „Es wäre nicht mehr das Schöne, sondern das Nützliche oder Gesollte.“ Dr. Georg Emprechtinger hielt dagegen: „Ethik und Ästhetik sind untrennbar miteinander verbunden!“, lautete sein klares Statement. „Wir wollen die Kunden von unseren Produkten überzeugen. Nachhaltigkeit soll Spaß machen, sexy sein“, provozierte der Branchenkenner. Auch für den Designer Prof. Jacob Strobel steht und fällt die Schönheit eines Produkts mit dem Material. „Eine schöne Form ist nicht länger schön, wenn sich das Material nicht gut anfühlt“, warf er in die Runde. Und sorgte für neuen Gesprächsstoff auf dem Podiums-Parkett. Wer kann, darf oder sollte sich schöne und unbedenkliche Produkte leisten? Wer trägt die Verantwortung für einen Wertewandel?

Nachhaltige Produkte: Luxus oder Notwendigkeit?

Schnell wurde deutlich, wie komplex das Thema ist. Faire und nachhaltige Produkte fordern ihren Preis, den allerdings nicht alle bezahlen können. Haben also Low-Cost-Anbieter ihre Berechtigung? Oder sollte Qualität mehr Wertschätzung erfahren? Was bringt eine Demokratisierung des Designs mit sich? Wie teuer dürfen „ökologisch“ und „fair“ sein? Die junge österreichische Modedesignerin Marina Hoermanseder, die in Berlin lebt und arbeitet, prangert die Zwänge der Industrie an. Sobald höhere Stückzahlen ins Spiel kämen, sei es im Grunde nicht machbar, komplett fair und durchweg in Europa zu produzieren. Darüber hinaus hätten viele Menschen leider kein Verständnis mehr für die Eigenschaften natürlicher Materialien, die Marina Hoermanseder in ihren Kollektionen verwendet: „Pflanzlich gegerbtes Leder ist in seiner Unregelmäßigkeit wunderschön, dennoch bevorzugen viele Endverbraucher die absolute Glätte. Die kann man aber leider nur chemisch erzeugen. Die Forderungen sind hart. Wir werden uns davon aber nicht beirren lassen.“ Politische Spielregeln, die verantwortliches Unternehmertum erleichtern, etwa über Steuern und möglichst globale Mindeststandards, wären indes für Mag. Silvio Kirchmair, CEO der Umdasch Shopfitting Group, ein möglicher Lösungsansatz. Herstellernachweise und verbindliche Kriterien für ein Siegel wie „Made in Austria“ seien allerdings schwer zu realisieren, waren sich alle Experten auf dem Podium einig.

Dr. Günther Reifer, Gründer des Terra Instituts und Cradle to Cradle Consultant, hält eine Abkehr von gegenwärtigen Denkmustern auf Unternehmer- und Konsumentenseite für unausweichlich: „Die Kosten unverantwortlichen Handelns tragen alle, wir müssen von einer Green Economy zu einer Blue Economy kommen. Geld kann dabei wie ein Stimmzettel eingesetzt werden. Mit meiner Kaufentscheidung bestimme ich, welche Ethik sich durchsetzt.“ Die Verantwortung von Unternehmen geht aber noch weiter. Dr. Georg Emprechtinger unterstreicht: „Neben Produkten, die Lebensqualität steigern, spielen auch andere Güter eine große Rolle für die Zufriedenheit und das Wohl der Menschen. Angefangen bei der Zufriedenheit am Arbeitsplatz und Solidarität nach innen bis hin zu einer nachhaltigen Produktion, der Verwendung von heimischen Hölzern, die Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten, eine schadstofffreie Herstellung und vielen weiteren Faktoren.“



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