Experten-Slot Restrukturierung & Insolvenz
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Expertenbeitrag: Rechtzeitig umsteuern, um Krisen zu vermeiden

Es gibt viele Herausforderungen für die Möbelindustrie

Experten Beitrag

Die Möbelindustrie kämpft mit mehreren Herausforderungen. Eine massive Konzentration im Möbelhandel erhöht den Druck auf die Hersteller. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die Möbelhäuser der Porta-Gruppe an XXXLutz verkauft werden. Steigende Preise erschweren den Absatz, denn ein durchschnittliches Möbelstück kostet heute etwa 20% mehr als 2020. Die Verbraucher üben sich zudem wegen hoher Energiepreise und Lebenshaltungskosten in einer deutlichen Kaufzurückhaltung. Verunsicherung, wirtschaftliche Sorgen und die allgemeine Inflation sind eine zusätzliche Konsumbremse. Die Unternehmen der Möbelbranche geraten selbst unter Druck durch erhöhte Ausgaben für Personal, Material, Energie und Logistik. Die Folge dieser Belastungen sind schwere Unternehmenskrisen – bis hin zur Insolvenz. Auch große Unternehmen wie Hülsta, Opti Wohnwelt und die Schillig Gruppe konnten sich diesem Trend nicht widersetzen. Die Lage der Branche hat sich seit den letzten beiden Jahren deutlich verschlechtert. Aktuell erlebt der Sektor einen signifikanten Abschwung: Der Gesamtumsatz der deutschen Möbelindustrie sank im ersten Halbjahr 2024 in Deutschland um 9,7% auf 8,3 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Inlandsumsatz ging um 9,1% auf 5,6 Milliarden Euro zurück und der Auslandsumsatz verzeichnete einen Rückgang von 10,9% auf 2,7 Milliarden.

Warnzeichen rechtzeitig beachten

Auf welche Warnzeichen sollten Firmenchefs und Manager achten, um rechtzeitig reagieren zu können? Grundsätzlich gilt, dass Krisen nur in Ausnahmefällen vollkommen überraschend eintreten – sie kündigen sich in der Regel an. Mit den entsprechenden Werkzeugen haben es Unternehmer selbst in der Hand, frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Firmen durchlaufen meistens verschiedene Stufen einer Krise. Am Beginn stehen oftmals Konflikte zwischen Gesellschaftern oder Stakeholdern“, erklärt Markus Fauser, Partner bei Anchor Rechtsanwälte. Diese internen Probleme können dann eine Strategiekrise auslösen, deren Ursache oftmals eine verfehlte Produkt-Markt-Strategie und Unternehmensausrichtung ist. „Geschäftsmodelle werden leider nicht regelmäßig auf Ihre Zukunftsfähigkeit bei sich veränderten Marktbedingungen überprüft“, fährt Markus Fauser fort.

Die fehlende oder nicht angepasste Strategie führt unter Umständen auch zu ausbleibenden Innovationen und einem Investitionsstau. Im nächsten Schritt der Krise verliert der Betrieb Marktanteile, spürt Kaufzurückhaltung bei den Kunden und gerät unter Druck bei der Preisgestaltung. Diese Effekte ziehen dann rückläufige Ergebnisse nach sich, bis hin zu einem negativen Jahresergebnis. Sind die Probleme des Unternehmens bereits so weit fortgeschritten, dann drohen in der Folge Zahlungsschwierigkeiten und schließlich bekommt man Lieferungen häufig nur noch gegen Vorkasse. Dann sind der Firma quasi die Hände gebunden und es drohen die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.

Frühe Gegenmaßnahmen sind effektiv

„Spätestens, wenn das Unternehmen eine Kaufzurückhaltung der Kunden bemerkt, sollten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dabei können branchenerfahrene externe Experten einen wertvollen Beitrag leisten, Maßnahme zu entwickeln und umzusetzen“, so Markus Fauser weiter. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch gut möglich, mit Strategieanpassungen und neuen Konzepten eine Verschärfung der Krise zu vermeiden. Zu einem späteren Zeitpunkt im Ablauf der Krise wird die Einleitung von Gegenmaßnahmen schwieriger und vor allem auch deutlich teurer und schmerzhafter.

Wichtige Schlüsselkennzahlen (Key Performance Indicators/KPIs) sind der erzielte Umsatz, der Bestand auf den Bankkonten sowie die Forderungen aus Lieferungen – aufgeschlüsselt nach fällig und nicht-fällig. Das Vorratsvermögen ist in Abhängigkeit zum Umsatz ebenfalls eine wichtige Größe, nimmt dieses zu, weil sich das Lager nicht mehr in gewohntem Maße dreht, ist das ein Indikator für eine Absatzkrise. Auf der Ausgabenseite müssen die Verbindlichkeiten im Auge behalten werden – auch wieder aufgeschlüsselt nach fällig und nicht-fällig. Alle diese Werte sollten mindestens monatlich erfasst werden bei einer gleichzeitigen Betrachtung der mittel- und langfristigen Entwicklung. Aus diesen Kennzahlen und der beobachteten Entwicklung lässt sich dann relativ einfach eine Drei-Monats-Planung erstellen. Mit dieser Prognoserechnung kann das Unternehmen effektiver gesteuert werden.

Ohne gute Dokumentation kein Kredit

Ein enges Monitoring ist für eine gute Unternehmensführung notwendig, andernfalls kommt die Krise dann wirklich überraschend.“, so Alexander Reus, ebenfalls Partner bei Anchor Rechtsanwälte weiter. Ein plausibles Zahlenwerk ist zudem auch eine zwingende Voraussetzung, wenn es um die Beschaffung von zusätzlichem Kapital geht. Denn Banken und anderen Finanzierer wollen im Vorfeld möglichst genau wissen, worauf sie sich einlassen. Und dafür ist eine transparente und plausible Dokumentation der aktuellen Situation und der zu erwartenden Entwicklung entscheidend.

Die weiter fortschreitende Digitalisierung zwingt Unternehmen zu weiteren Investitionen, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Und eine Erhöhung der Automatisierung ist notwendig, um den Druck durch das vergleichsweise hohe Lohnniveau zu mindern – sonst droht ein Teufelskreis von geringeren Margen und einem veralteten Maschinenpark. Die Prognosen für die weitere Entwicklung in der Möbelbranche werden aktuell ein wenig besser eingeschätzt. Trotz der aktuellen Herausforderungen gibt es nach Einschätzung verschiedener Experten Anzeichen für eine mögliche Stabilisierung der Auftragslage, und die Branche hofft auf eine Belebung des Wohnkonsums.

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Alexander Reus hat Rechtswissenschaften an der Ludwig Maximilians Universität (LMU) in München und Betriebswirtschaftslehre an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) in München studiert. Er ist Fachanwalt für Sanierungs- und Insolvenzrecht und Partner bei Anchor Rechtsanwälte in München und u.a. Vorstand der Forum 270 - Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung. Alexander Reus ist vornehmlich in der Sanierungsberatung, Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren tätig.

Markus Fauser hat Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim in Stuttgart studiert. Zusätzlich erwarb er an der Universität Heidelberg einen LL.M. (corp. restruc.) im Bereich Unternehmensrestrukturierung und ist Partner bei Anchor Rechtsanwälte in Stuttgart. Markus Fauser ist auf die Tätigkeitsbereiche Sanierungsberatung, Interim Management, Eigenverwaltung und Distressed M&A spezialisiert.


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