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DIY-Branche trifft sich in Bonn

Die DIY-Branche trifft sich zum intensiven Austausch in Bonn. Foto: BHB/ Th. Götz

Erneut ist das World Conference Center Bonn Treffpunkt für die gesamte DIY-Branche in der DACH-Region. Der BHB-Kongress ist in seiner 24. Auflage gestartet. Die hohe Teilnehmerzahl von rund 480 Führungskräften aus Handel, Industrie und Dienstleistung zeigt, dass alle Beteiligten die Chance für einen intensiven Austausch nutzen wollen – ein Muss in herausfordernden Zeiten, wie die BHB-Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Wüst betonte.

Wüst blickte kurz auf ein (fast abgeschlossenes) Branchenjahr zurück, das leider erneut fernab einer Normalität verlaufe. Die multiplen Herausforderungen aus Inflation und Gierflation, extrem hohen Lebenshaltungskosten, politischen Wirren und Konsumangst haben ihren Einfluss auf die Umsätze der Bau- und Gartenmärkte. Besonders die Baustoffsortimente sind betroffen, seit Zinslasten und enorme Preissteigerung den Wohnungsbau fast zum Erliegen gebracht haben. Wüst forderte deshalb ein gemeinsames Einwirken auf die politischen Entscheider, den Wohnungsbau entsprechen zu fördern. Dies helfe an vielen richtigen Stellen. Aber er versäumte aber auch nicht, auf die Chancen der Branche hinzuweisen: „In Krisenzeiten ist Selbermachen immer besonders gefragt, wir müssen uns hier als Partner der Menschen mit den richtigen Lösungen und Produkten langfristig positionieren“.

Dass die Branche auch anderer Stelle Engagement zeigen müsse, dafür stand der Impulsvortrag von Torsten Safarik, Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). In engem Dialog sind Händler und Lieferanten mit dem Bafa nach einem Hungerstreik von LKW- Fahrern, die von einem polnischen Subunternehmer offenbar stark mißbräuchlich eingesetzt wurden. Zwar gehörte kein Branchenunternehmen damals zu den Auftraggebern, aber ein Handeln im Sinne der Menschlichkeit gebietet schon das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG), dessen Einhaltung der Kontrolle des Bafa obliegt. Safarik betonte, das Bafa keinesfalls als Gegner zu begreifen, sondern als Partner bei der Umsetzung des LSKG, zumal die meisten Unternehmen „weiße Schafe“ sein. Dankbar sei er für die Hilfs- und Dialogbereitschaft der BHB-Mitgliedsunternehmen – man werde künftig in engem Kontakt bleiben.

Nachhaltigkeit ist das beherrschende Thema – an allen Stellen, die die Branche bewegen. Laut Michael Kuhndt, Executive Direktor des Thinktanks CSCP, ist Nachhaltigkeit sogar das zentrale Handlungs- und Innovationsprinzip des 21. Jahrhunderts. Kunden, Mitarbeiter, Sortimente – die notwendigen Veränderung in Köpfen und Produkten sollten sich Unternehmen zu eigen machen – und auf Produkt- und Werteebene verankern. Dies allein schon im Kanon europäischer Richtlinien, die die Rahmenbedingungen drastisch verändern werden – etwa in Bezug auf Reparierbarkeit oder bei kreislaufoptimiertem Produktdesign. Kuhndt: „Nachhaltigkeit kann man als reine Pflicht begreifen – aber auch als echte Chance“.

Kunden-, Verkäufer- und Datenzugang sind Erfolgsfaktoren für Partnerschaften. Wie sich dadurch Angebote konkret verbessern lassen, darüber berichtete Manuel van de Kamp, Chief Produkt Officer Customer Management bei OBI. Auch hier gilt das Prinzip „Gemeinsam“ aus dem BHB-Kongressmotto: Im komplexen Zusammenspiel zwischen smarter Technik, moderner Datengenerierung, intensivem Austausch zwischen Händlern/Lieferanten und neuen Kompetenzen für die Mitarbeitern entsteht Account-Integration an allen Touchpoints.

Handel ist Wandel – die stetige Standardfloskel ist heute mehr denn je aktuell. Denn mit dem veränderten Kaufverhalten der Kunden braucht es neue Ansprache, neue Impulse – und vor allem neue Technologien. Aber welche Bedeutung bekommen Metaverse und Künstliche Intelligenz im und für den Handel? Darüber diskutierten Dr. Peter Wüst und OBI-Vordenker Manuel van de Kamp mit Kristian Kerkhoff (demodern) und Marilyn Repp vom Mittelstands- Digital-Zentrum Handel. Kerkhoff warnte vor überzogenen Technikdiskussionen: Es gehe nicht darum, Künstliche Intelligenz oder die Programmierung einer Website technisch zu begreifen –aber sich Gedanken um ihre Auswirkung zu machen und effektiv für die eigene Strategie einzusetzen. Das kann, so Manuel van de Kamp, z.B. in einer App-Anwendung geschehen, die den richtigen Berater, zusätzliche Informationen und den hilfesuchenden Kunden matcht. Oder in mittlerweile erschwinglichen Technologien wie RFID, die für den digitalen Zwilling unerlässlich ist.

Bei allen Veränderungen, die die Fläche betreffen: Besondere Sorgfalt widmen alle Händler dem Checkout – jedes Finetuning hier muss sensibel auf Kundenakzeptanz geprüft werden, auch und gerade im B2B-Bereich. Sven Gruhl vom Zahlungsspezialisten Billie informierte über neue Standards z.B. bei Kauf auf Rechnung.

Der Blick in die Glaskugel ist beliebter Bestandteil vieler Kongresse. Den Ansatz des renommierten Zukunftstinstitutes vermittelte hier Theresa Schleicher, die u.a. das Bundeswirtschaftsministerium berät. Nah an der Operative machte sie sich Gedanken über DIY im Zeichen des Konsumverzichts, das Spannungsfeld von Green AI und Resilienz und Sortimente der Zukunft. Hier wird sich sowohl die Zusammensetzung der Produktkategorien, aber auch das Design stark verändern. Verpackungsvermeidung, standardisierte Mehrweglösungen, Langlebigkeit der Produkte – all dies wird immer mehr Bereiche betreffen. Schleicher riet außerdem zu entspanntem Umgang mit der Digitalisierung: Man müsse nicht auf jeden Trend-Zug aufspringen, wichtiger sei die Konzentration auf die Grundtugenden des Handels.

Jede Menge Input beim BHB-Kongress: Selbst in der Mittagspause präsentierte der bekannte Handelsexperte Prof. Bernd Glazinski einen „BHB-Extrahappen“. Seine Kurzanalyse von möglichen Großflächen in Westafrika fand interessierte Zuhörer. Ob Potenzial oder Wahnsinn – das hängt wohl von der Situation ab…

Nach der Mittagspause ging es in die ersten Breakout-Sessions. Die Partnerverbände HHG und IVG hatten in ihrem Teil Rüdiger Maas engagiert. Der Vorstand des Instituts für Generationenforschung berichtete über das, was die Kunden von morgen ausmacht. Wie die Generation Z tickt, darüber gab es spannende Ein- und Ausblicke – mit viel Humor.

In der Handelssession ging es um das Thema B2B; Hier konnte BHB-Neumitglied Markant Deutschland mit Geschäftsführer John Grewe bei den Zuhörern punkten, und auch Tobias Strehle vom E-Commerce-Spezialisten ManoMano hatte frische Infos parat.

Eine weit ausladende Bandbreite bot dann eine top-besetzte Gesprächsrunde: Mit Peter Wüst diskutierten dabei mit Journalist Nikolaus Blome (Ressortleiter Politik, RTL Mediengruppe), René Haßfeld (Vors. GL toom baumarkt) und Andreas Voll (Vorstandsvors. Unternehmensgruppe fischer) drei Vertreter unterschiedlicher Ansätze. Ihr Rundumschlag durch Gesellschaft, Industrie, Handel und Politik war dabei ebenso spannend wie kurzweilig. Zuerst analysierte der renommierte Journalist Blome die aktuelle Regierungskrise nach der Kanzlererklärung: „Deutschland wird es überstehen, bei der Regierung hängt’s von verschiedenen Stellschrauben ab“. Der Kitt, der die Ampel zusammenhält – Vertrauen und Geld – seien beide massiv angegriffen. Die Zeit und Gelegenheit, durch einen seriösen Haushalt Boden gut zu machen, schwinde und fordere nun endlich Kanzler-Führungsstärke.

Die beiden CEO aus der Branche beklagten insbesondere das extreme Ausmaß an Bürokratie, die nicht wie versprochen abgebaut werde, sondern stetig zunehme und übergriffiger werde, oftmals noch befeuert aus Brüssel. Eine Einschätzung, die auch Blome teilt: „Deutschland muss aufhören, den Musterknaben zu Lasten der eigenen Wirtschaft zu geben“. Auch Andreas Voll stieß ins gleiche Horn: Statt unkoordinierter Richtlinien brauche es mehr Dialog mit der Wirtschaft, um tatsächlich Ziele zu erreichen.

Direkt im Anschluss heißt es für die Kongressteilnehmer „Leinen los“: Der BHB hatte zur Gala auf die MS Rheinenergie geladen. Neben der Gelegenheit zum gemeinsamen Feiern und Networking steht aber vor allem ein „Branchenurgestein“ im Mittelpunkt: Der DIY-Lifetime- Award geht an Unternehmer und HHG-Ehrenpräsident Dietrich Alberts.


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