Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH)
Warnt vor monopolistischer Handelskultur

Hersteller und Marken sollen auf Grund eines Luxusimages den Wettbewerb durch ein selektives Vertriebssystem beschränken dürfen. Das teilte Nils Wahl, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), letzte Woche in seinen Schlussanträgen mit. Mit dieser am EuGH üblichen Vorabinformation bezog sich Wahls auf das laufende Verfahren C-230/16 Coty Germany/Parfümerie Akzente. Der EuGH hat laut Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH) in diesem Fall zu klären, ob das „Luxusimage“ einer Ware die Rechtfertigung für ein selektives Vertriebssystem sein kann und ob Hersteller Händlern den Verkauf ihrer Ware über Online-Marktplätze wie Amazon verbieten können. Generalanwalt Wahl sei der Auffassung, dass es Herstellern und Marken erlaubt sein kann, alleine schon auf Grund eines Luxusimages den Wettbewerb durch ein selektives Vertriebssystem zu beschränken. Damit sei ein pauschales Verkaufsverbot über Online-Marktplätze von Luxuswaren wie Parfümerieprodukte unter bestimmten Bedingungen kartellrechtlich zulässig. Wie dies für Massenprodukte aussieht, habe der Generalanwalt offen gelassen. Das letzte Klarheit bringende Urteil des EuGH, werde erst in etwa sechs Monaten erwartet.

„Todesurteil“ für kleine europäische Händler

„Die Aussagen von EuGH-Generalanwalt Wahl sind die sprichwörtliche Ohrfeige für den fairen freien Handel und kommen einem Todesurteil für viele tausend kleine und mittelständische Händler in Europa gleich. Sollte der EuGH dem Antrag des Generalanwalts folgen, werden wir in Kürze im Onlinehandel schlimmere Verhältnisse haben als heute schon im stationären Handel. Für diesen Fall prophezeien wir vom BVOH eine verbraucherunfreundliche monopolistische Handelskultur, beherrscht durch Hersteller und einzelne riesige Händler. Vielfalt und Wettbewerb sind dann tot“, sagt Oliver Prothmann (Foto), Präsident des BVOH.

Weg durch die Instanzen – juristische Auseinandersetzungen um Coty dauern an

Geklagt hat der Parfümerie-Hersteller Coty gegen einen seiner Händler, die Parfümeriekette Akzente, da dieser Produkte Cotys trotz entgegenstehender vertraglicher Vereinbarung über Amazon Marketplace verkauft. Vor fast genau drei Jahren entschied das Landgericht Frankfurt am Main am 31. Juli 2014 (AZ: 2-3 O 128/13) in erster Instanz. Das Gericht stellte fest, dass die Regelung in den Vertriebsverträgen von Coty, nach denen pauschal jeglicher Internetvertrieb über Drittmarktplattformen wie Amazon verboten ist, eine Kernbeschränkung gemäß Art. 4 lit. c der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO) darstellen würde und demnach nicht durch diese freigestellt sei. Ferner konnte das Gericht keine Kriterien erkennen, wonach für die von Coty hergestellten Parfums und Kosmetika ein Vertrieb über Amazon zu verbieten sei. Gegen diese Entscheidung legte Coty beim OLG Frankfurt a. M. Berufung ein (11 U 96/14 (Kart)), welches das Verfahren am 19. April 2016 aussetzte und dem EuGH verschiedene Fragen zur Zulässigkeit von Marktplatzverboten zur Klärung vorlegte.

Markenhersteller müssen nachvollziehbare Kriterien an den Onlinehandel richten um ein Vertriebsverbot auszusprechen, muss der Hersteller ein selektives Vertriebssystem installieren. Diese selektiven Vertriebssysteme sollen – wie bei dem System von Coty – den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren regulieren. Voraussetzung für ein solches Vertriebssystem ist unter anderem eine qualitative Vorgabe über die Darbietung der Luxusware im Internet. Laut Generalanwalt Wahl sieht er Drittplattformen wie Online-Marktplätze nicht in der Lage, diese Ansprüche zu gewährleisten. „Mir sind keine qualitativen Vorgaben eines selektiven Vertriebssystems bekannt, die in einem Online-Shop umgesetzt werden können, aber auf einem Online-Marktplatz wie etwa eBay oder Rakuten nicht. In Deutschland werden bereits heute 50% des Onlinehandels über Marktplätze generiert. Das bedeutet, dass der Verbraucher das Einkaufen über Marktplätze liebt. Diese Vorgabe des Generalanwalts ignoriert die Entwicklung im Handel und protektioniert die Hersteller und Marken. Der Verbraucher und die kleinen und mittelständischen Händler haben das Nachsehen“, sagt Prothmann.

Beschränkungen im Onlinehandel bedrohen Existenzen

Beschränkungen im Onlinehandel seien kein Kavaliersdelikt. Allein in Deutschland würden sie Händlern einen Umsatzverlust von mehr als 20% pro Jahr bescheren. In anderen europäischen Ländern sei die Quote sogar noch höher: UK 25%, Frankreich 26% und Italien 29%. Spitzenreiter in allen Umfragen zu Vertriebsbeschränkungen sei der US-Sportartikelhersteller Nike. „Dem Bundeskartellamt liegen seit Jahren einschlägige Wettbewerbsverstöße von Nike zur Prüfung vor, welche aber nie bearbeitet wurden, da man zu sehr mit den Verfahren gegen Adidas und Asics beschäftigt war. So kann es nicht weitergehen. Das Verhalten von Herstellern wie Coty oder Nike ist existenzbedrohend. Wir fordern das EuGH und die Politik auf, die Existenzen der kleinen Händler endlich besser zu schützen und den Machenschaften von Herstellern einen Riegel vorzuschieben“, sagt Prothmann.

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