Content Marketing
Storytelling – Vom Händler zum Geschichten-Erzähler

Weder Bestands- noch Neukunden lassen sich mit plumper Werbung gewinnen, nur weil sie kanalübergreifend präsent ist. Push-Botschaften und zu viel Content sind Spam und unsympathisch. Attraktiv ist, wer Marken-Botschaften schmackhaft macht, ohne sich aufzudrängen und zu nerven. Es gilt, sich Gedanken zu machen, wie die Kommunikation den Kunden in den Fokus rückt und ihm einen konkreten, relevanten Nutzen bietet.

Seit Ende der 90er-Jahre greift die Mehrheit der Bevölkerung ganz selbstverständlich über Web-Browser auf Informationen zu. Sofort entstanden mit Bannern Anzeigenkonzepte, die von den relevanten Inhalten ablenken. Inzwischen ist es gelernt, Banner zu übersehen oder mittels Adblockern abzuwehren. 

Noch mehr Inhalte werden zwischenzeitlich mobil über Apps konsumiert. Allerdings nutzen User kaum mehr als eine Handvoll Apps täglich auf ihrem Device. 

Die immer komplexere, vielfältigere und schnellere Informationsflut macht satt. Und leider begreifen viele Marketiers das nur als Druck, noch mehr Content zu produzieren und zu pushen.

Nutzer schotten sich durch Technologie ab

Nutzer rüsten sich dagegen. Sie wollen weniger, aber dafür die richtigen Inhalte. Algorithmen von Anbietern und Filter von Usern werden immer engmaschiger, individueller und vor allem besser. Die Intelligenz von Assistenz-, Klassifizierungs- und Suchsystemen die nach persönlicher Relevanz suchen zu überlisten, wird immer schwieriger.

Die Zukunft gehört Bots, virtuellen Assistenten, die viele Aufgaben der Apps übernehmen, sie zunehmend ersetzen und seit Anfang 2016 einen Hype erleben. Bots liefern über eine Oberfläche alle Anwendungen und relevanten Informationen, die wir im Alltag benötigen und die bisher auf verschiedenen Apps verteilt waren. 

Neben der Text- bieten sie meist auch Spracheingabe, beispielsweise über Apples Siri. Sie suchen und finden für den User, den sie bestens kennen. Sie fixieren Termine und ToDos, spielen Musik ab, steuern den Zahlungsverkehr und vieles mehr.

Zumeist sind sie eingebunden im Messaging, also beispielsweise Facebook Messenger, WhatsApp, WeChat oder Telegram, dem Ort wo die zentrale Information, Kommunikation und Interaktion stattfindet. 

Durch die direkte Auslieferung personalisierter Inhalte via Messenger ver-lieren Websites oder Apps massiv an Boden. Um junge Zielgruppen zu erreichen, hat zukünftig kein anderer Kommunikationskanal eine vergleichbare Bedeutung.

Fast-Content to go

Im Zeitalter der Hyperinformation hat sich auch das Rezeptionsverhalten grundlegend verändert. Informationen werden nur noch gescannt und rasen am Empfänger vorbei. 

Nicht zuletzt durch SMS und Messenger, Twitter als 140-Zeichen-Newsticker oder Facebook als Nachrichtenlieferant ist es für viele Menschen inzwischen ungewohnt, längere Texte zu lesen.

Zumeist reichen schon spannende Überschriften, um sofort in diversen sozialen Netzwerken geteilt zu werden. Nur um aktuellen Inhalt zu generieren, um als aktiver Teil der Community wahrgenommen zu werden. Diskussionen werden geführt und angezettelt, ohne jegliches Hintergrund-Wissen über den tatsächlichen Inhalt eines Postings, über das Thema, den Autoren oder die Quelle.

Überzogen und reißerisch aufgemachte Headlines, sogenanntes „Clickbaiting“, ist weder seriös noch ein nachhaltiges Erfolgsmodell. 

Content Marketing verspricht Abhilfe, ist jedoch keine völlig neue Kommunikations- oder Marketing-Disziplin. Seit Jahrzehnten existieren Kunden- und Mitglieder-Zeitschriften, PR-Arbeit und Advertorials. Als übergeordnetes Schlagwort für bewährte Marketing-Kommunikation wird es seit einiger Zeit gehypt.

Allerdings gewinnen die zugrunde liegenden neuen Instrumente massiv an Bedeutung, wenn die relevanten Zielgruppen sich zunehmend mit Filtern, Adblockern oder Video-on-Demand-Diensten den aufgedrängten Werbebotschaften verweigern. 

Hinter Content Marketing steckt die Idee, es mit informativen, unterhaltsamen, möglichst interaktiven und insbesondere wirklich relevanten Inhalten richtig zu machen. 

Als Vergleich für die Pflege von Kundenbeziehungen, egal auf welchem Weg, taugt immer ein Blick in das Zwischenmenschliche: „Sexy“ geht recht einfach, ist oberflächlich, durchschaubar, wenig nachhaltig und bewegt sich schnell am Rande der Peinlichkeit. 

Die Steigerung „erotisch“ ist schon fast eine Kunstform, die Ästhetik, emotionale Intelligenz sowie Charme erfordert und alle Sinne involviert. „Sinnlichkeit“ jedoch erfordert darüber hinaus neben Empathie auch noch Empfänglichkeit sowie Integration des Adressaten auf einer sehr persönlichen Ebene. Deswegen kann sie Partner bis ins hohe Alter verbinden.

Ähnlich sind die Qualitätsunterschiede zu bewerten, sich mit gutem Content Marketing Aufmerksamkeit, Interesse und Loyalität des Kunden ehrlich zu erarbeiten anstatt Werbung zu verteilen.

Pull vs. Push

Viele Unternehmen konzentrieren sich darauf, aus ihrer Sicht zu kommunizieren anstatt aus der Kunden-Perspektive. Unterschiedlichste Kommunikationskanäle werden quasi gleichgeschaltet, und undifferenziert kongruent genutzt, um sich und seine Produkte anzupreisen. Die Orientierung an den Bedürfnissen, Erwartungen und Interessen des Kunden, an den Spezifika des meist bewusst genutzten Mediums fehlt.

Es geht aber immer weniger darum, die eigenen Strukturen auf der Website, im Online-Shop oder der eigenen App abzubilden, ständig und überall über seine Marke, Leistungen und Produkte zu sprechen. Damit rückt die Kernkompetenz eines Unternehmens wieder in den Mittelpunkt der direkten Kundenkommunikation. 

Erfolgreiche Anbieter heben ihre spe-zifischen Fachkompetenzen als Experten heraus und bieten Kunden umfangreiche Informationen zu Hintergründen und Einsatz-Beispielen, zum Nutzen oder zur Pflege. Sie binden ihn ein in eine lebendige Gemeinschaft Gleichgesinnter, bieten ihm mit Dialog und Interaktion quasi eine „Homebase“.

Kernkompetenz Einrichten, Wohnen und Leben

Manche mag es überraschen, aber viele Kunden sehen in Möbelhäusern nach wie vor mehr als nur eine stationäre Ausstellungsfläche, ein Lager, eine reale Zahl- und Abholstelle sowie die Reklamations-Annahme für Möbel. Viele Kunden erwarten von Einrichtungs-Unternehmen die Kernkompetenz, sich für sie, ihre Lebensumstände und ihre Bedürfnisse zu interessieren. Sie dabei zu beraten und zu unterstützen, glücklich in einem individuell, schön, bequem, praktisch und sicher eingerichteten Zuhause zu leben.

Und kaum eine andere Branche bietet dabei die Chance auf eine Expertise für eine schier unglaublich vielfältige Breite und Tiefe an zum Teil hochemotionalen oder funktionalen Themen, um darüber Geschichten zu erzählen. 

Gutes Storytelling bleibt uns im Gedächtnis

Über 27.000 Jahren alt sind die ersten von Menschen gefertigten Bilder in Höhlen. Sie beweisen, dass das Geschichtenerzählen ein wesentlicher Teil der menschlichen Natur und Gesellschaft ist. 

Die heutige mediale Ausprägung ist eine andere – die Faszination, die gutes Storytelling auf uns ausübt aber ist seit Jahrtausenden unverändert geblieben. Gute Geschichten erhöhen die Gehirnaktivität in allen Arealen, liefern Impulse und lösen Dopamin-Ausschüttung aus. Sie berühren alle Sinne und es fällt schwer, sie zu vergessen; ganz anders, als hübsche Prospekte, mittelmäßige Slogans, klassische Werbe-Versprechen, Bulletpoints oder pure Informationen.

Content zu produzieren, der über Fakten informiert, ist eine Disziplin. Content, der spannende Geschichten so erzählt, dass Suchmaschinen wie Google ihn verstehen und der darüber hinaus für eine definierte Zielgruppe relevant und interessant ist sowie diese Menschen emotional überzeugt und zum (Re)Agieren animiert, ist eine andere. 

Aufbau digitaler Glaubwürdigkeit

„Digital Awareness“ bedeutet, bei der digitalen Kommunikation ausgesendete Botschaften über Kompetenzen und Leistungsversprechen im persönlichen Kontakt zu synchronisieren. Klarheit, Glaubwürdigkeit und Authentizität entscheiden wesentlich über das Vertrauen der Endverbraucher. 

Content Marketing ist also eine mittel- bis langfristig angelegte Strategie, um Vertrauen und Vertrautheit aufzubauen; fast immer ungeeignet, um schnell einen neuen Brand zu etablieren oder den Absatz zu vervielfachen.

Laut dem Hype Cycle-Modell von Gartner werden auch diejenigen, die sich auf Content Marketing einlassen, vom „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ über das „Tal der Enttäuschungen“ zum „Pfad der Erleuchtung“ gelangen, um zum Schluss hoffentlich das „Plateau der Produktivität“ zu erreichen. Lior Yarom


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