FIVE SENSES COMMUNICATION
Expertenbeitrag: Führen in der digitalen Zeit

Der folgende MÖBELMARKT-Experten-Beitrag wird Ihnen von zur Verfügung gestellt. Form, Stil und Inhalt liegen allein in der Verantwortung des Autors Dr. Daniel C. Schmid. Die hier veröffentlichte Meinung kann daher von der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers abweichen.

Visionäre werden nicht mehr benötigt

Die Digitalisierung wird vieles verändern, aber zugleich uns allen viele neue Chancen eröffnen. Deutschland ist jedoch in Punkto Digitalisierung eher ein Entwicklungsland, obwohl das Land der „Dichter und Denker“ gerade dazu prädestiniert wäre, ganz vorne mitzuspielen. Auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, vor allem bei der Grundlagenforschung, leistet Deutschland erstklassige Arbeit. Doch unterm Strich schafft Deutschland es nicht, davon zu profitieren. Andere Länder, wie zum Beispiel China, Japan oder USA, sind uns im Bereich der Digitalisierung um Längen voraus. Dort entstehen im Sekundentakt neue Produkte und Dienstleistungen. Dort schaffen es die Menschen, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und Neues entstehen zu lassen. Deutschland hinkt auch deshalb hinterher, weil die Menschen hierzulande mit der Digitalisierung zu wenig Hoffnung verbinden. Viele haben Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren bzw. vom Roboter ersetzt zu werden und erkennen nicht die Möglichkeiten, wie durch die Digitalisierung sich ihr Leben bessern kann.

Diese Entwicklung ist höchst besorgniserregend. Denn nahezu alle Branchen sind betroffen und laufen Gefahr, in ihrem Kerngeschäft, sei es die Herstellung oder der Vertrieb von Produkten, ins Hintertreffen zu geraten.

Organisationstrukturen sind nicht mehr zeitgemäß

Ein wesentlicher Grund, warum deutsche Unternehmen im Bereich der Digitalisierung nur zweitklassig sind, liegt darin, dass sie nicht über die passenden Organisationsstrukturen und Führungsinstrumente verfügen, die in der neuen Welt erforderlich sind. Der Führungsstil ist in vielen Unternehmen antiquiert, die Organisationstrukturen sind häufig verkrustet und die Menschen haben nicht die Möglichkeit, ihre Ideen einzubringen.

Damit Deutschland den digitalen Wandel erfolgreich meistert, sind grundlegende Veränderungen in der Organisation und dem Personalmanagement erforderlich. Es reicht bei weitem nicht aus, die Krawatten aus den Vorstandsetagen zu verbannen und die Mitarbeiter zu duzen. Es müssen komplett neue Strukturen und Führungsmodelle geschaffen werden, die Raum für Innovationen ermöglichen. Denn Innovationskraft ist und bleibt der entscheidende Faktor für Wachstum und Wohlstand und für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes.

Die Wissenschaft diskutiert schon lange darüber, was ein innovatives Unternehmen kennzeichnet bzw. wie ein Unternehmen aufgestellt sein muss, damit Innovationen entstehen. Es gibt zahlreiche Empfehlungen, die sich daraus ableiten lassen.

Querdenker sollten gefördert werden

Innovative Unternehmen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie Querdenker fördern. Sie ermutigen Mitarbeiter Neues zu probieren und geben ihnen den entsprechenden Freiraum. Sie ermutigen die Mitarbeiter kreativ zu sein und auch mal Verrücktes zu tun. In der Praxis sieht es häufig aber anders aus. Viele traditionelle Unternehmen suchen eher angepasste Gewohnheitsmenschen, die möglichst gleich sind und ihre Arbeit ohne Murren fleißig erledigen, die Abläufe nicht stören und sich an Regeln und Altbewährtes halten.

Innovative Unternehmen haben weniger Regeln und denken nicht immer in Prozessen. Verschiedene Studien belegen, dass Vorschriften, Regeln, Formalien, hierarchische Strukturen und klassische Planungsabläufe den Innovationsprozess stören. In traditionellen Unternehmen denken immer noch viele, dass ein Projekt zeitlich detailliert geplant sein muss. Lenkungsausschüsse und Controller, die oftmals von den digitalen Themen wenig Kenntnisse haben, zeigen häufig die rote Lampe, wenn Erfolge innerhalb der ersten Wochen nicht erzielt werden.

Fehlerkultur ist wichtig

Innovative Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Fehlerkultur haben und auch das Scheitern von Projekten akzeptiert wird. In solchen Unternehmen muss kein Mitarbeiter Angst haben, wenn er einen Fehler macht oder seine Idee nach einigen Wochen wieder eingestellt wird. Es ist besser, einen Fehler einzugestehen und ein Vorhaben zu stoppen, als aus Angst ein Projekt vor sich herzutreiben, Ressourcen zu verschwenden und es nicht ans Ziel zu bringen.

Um dem digitalen Wandel erfolgreich zu begegnen, sind neue Organisationsformen zu schaffen. Die Hierarchien müssen flacher und die Strukturen flexibler werden, um auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter besser einzugehen. Die Digitalisierung stellt die klassische Hierarchie in Frage. Dies hat zur Folge, dass Führungskräfte ihre Rolle überdenken, sich neu ausrichten und neue Fertigkeiten erwerben müssen. Die klassische Führungsrolle gehört der Vergangenheit an. Im Startup-Unternehmen arbeiten in der Regel alle im Team auf Augenhöhe. Um Organisationen aufzubauen, die kontinuierlich innovativ sind, geht es weniger darum, eine Vision aufzuzeigen, der Mitarbeiter folgen. Vielmehr ist die Herausforderung ein Team aufzubauen, das in der Lage, eigene Ideen zu entwickeln. Entsprechend muss auch der Führungsstil angepasst werden. Führen mit Macht und Erzeugen von Angst ist „Out“. Moderieren, zuhören, Feedback geben sind „In“. Teamarbeit, Kooperation und Partizipation sind die Erfolgsfaktoren. Einsame Patriarchen passen nicht mehr in die neue Welt. Führungspersönlichkeiten sind gefragt, die an langen Leinen agieren, delegieren und Eigenverantwortung fördern.

Visionäre passen nicht mehr in die heutige Zeit

Führungskräfte müssen demnach auch ihre Rolle als Visionär überdenken, denn Ideen entstehen gemeinsam im Team und nicht einsam oben in der Chefetage. Organisationen müssen daher weg von der Einheitsführung und hin zu individuellen Führungsinstrumenten. Das bedeutet: flexibler und individueller werden, neue Arbeitszeitmodelle implementieren, die Mitsprache fördern und die Feedbackkultur stärken.

Für Führungskräfte ist diese Entwicklung nicht einfach. Sie müssen einerseits Kooperation und Eigenverantwortung fördern, andererseits aber auch dafür sorgen, dass die neu gewonnene Freiheit für das Unternehmen Nutzen stiftet.

Die Stärkung der Eigenverantwortung und das Schaffen von Freiräumen hilft auch beim Kampf um die besten Köpfe. Denn zukünftig werden sich Unternehmen immer häufiger bei den Kandidaten bewerben müssen als umgekehrt. Das Verhältnis der Menschen zur Arbeit wandelt sich. Die Work-Life-Balance bekommt eine immer größere Bedeutung. Homeoffice, flexible Arbeitszeiten oder das Angebot eines Sabbaticals werden zum Standard werden und unentbehrlich sein, um erstklassige Mitarbeiter zu finden und ans Unternehmen zu binden,

BSH geht mit gutem Beispiel voran

Insgesamt zeigt sich, dass Unternehmen noch viel Arbeit haben, um die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen. Zentrale Aufgabe für das Management ist es, für die passenden Organisationsstrukturen zu sorgen und die Mitarbeiter zeitgemäß zu führen. Dass Unternehmen die Herausforderungen erkannt haben, zeigt zum Beispiel der Hausgeräte Hersteller BSH, der in diesen Tagen in München mit „BSH CO“ einen zentralen Ort als „Think tank“ geschaffen hat, an dem Mitarbeiter aus den Bereichen Markendesign, Produktentwicklung, Produktmanagement sowie Virtual Reality gemeinsam Neuheiten entwickeln und testen können.

Wer sein Unternehmen für die Digitalisierung nachhaltig fit machen will, der braucht eine Kultur der Veränderungsbereitschaft und die entsprechende Kommunikationsstrategie.


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