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Expertenbeitrag: Werden Möbelverkäufer künftig noch gebraucht?

Der folgende MÖBELMARKT-Experten-Beitrag wird Ihnen von zur Verfügung gestellt. Form, Stil und Inhalt liegen allein in der Verantwortung des Autors Dr. Daniel C. Schmid. Die hier veröffentlichte Meinung kann daher von der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers abweichen.

Käufer suchen Beratung im Internet

In Deutschland fehlen überall Fachkräfte. Auch die Möbelbranche leidet unter dieser Entwicklung. Besonders oft hört man den Handel klagen. Insbesondere im Verkauf und bei der Montage von Möbeln ist qualifiziertes Personal Mangelware. Seit Jahren fordern Verbände die Branche deshalb auf, sich mehr um den Nachwuchs zu kümmern und spezielle Bildungseinrichtungen zu unterstützen. U.a. soll die Möbelfachschule in Köln, die seit Jahrzehnten vorbildliche Arbeit leistet und Fachkräfte für die Möbelindustrie und den -Handel ausbildet, stärker unterstützt werden.

Die Frage ist, ob Küchen- und Einrichtungsfachberater im Zeitalter der Digitalisierung noch eine Zukunft haben und überhaupt noch gebraucht werden. Auch wenn die Absolventen die Kölner Fachschule erstklassig ausgebildet verlassen und sehr gefragt sind, ist dies keine dauerhafte Jobgarantie. Denn der Online-Handel entwickelt sich auch in der Möbelbranche rasant. Jährliche Umsatzwachstumszahlen im zweistelligen Bereich gehören zur Tagesordnung. Vor allem die Möbelhäuser leiden bereits jetzt unter massiven Frequenzproblemen. Aggressive Prospektwerbung reicht nicht mehr aus, um genügend Kunden ins Geschäft zu holen. Manche Häuser berichten von einem Besucherrückgang von 25 Prozent in den letzten 5 Jahren. Der Trend wird sich weiter fortsetzen. Viele Online-Shops großer Einrichtungshäuser werden schon heute häufiger besucht als ihre stationären Geschäfte. Damit geht es vielen Möbelhandelsunternehmen nicht anders, als beispielsweise Media Markt. Das Handelsunternehmen konstatiert eine ähnliche Entwicklung. Im Jahr 2017 wurden im Online-Shop rund 300.000 und in den stationären Märkten 220.000 Besucher gezählt.

Aufgrund dieser Veränderung im Kaufverhalten muss man sich zurecht die Frage stellen, ob gut ausgebildete Fachberater in diesem Umfang in der Zukunft noch benötigt werden. Das Problem wird dadurch nochmals verschärft, dass zunehmend auch Roboter zur Beantwortung von Kundenfragen eingesetzt werden. Experten sind der Meinung, dass zuallererst der Verkauf weniger beratungsintensiver Produkte ins Internet verlagert wird. Eine komplexe Einbauküche werden dagegen nur wenige Konsumenten im Internet kaufen, ohne zuvor mit einem Experten gesprochen zu haben. Deshalb werden insbesondere gut ausgebildete Küchenfachverkäufer auch in den nächsten Jahren gefragt sein.

Beratung muss nicht mehr im Geschäft erfolgen

Bei beratungsintensiven, aber wenig komplexen Produkten, wie zum Beispiel Matratzen oder Polstermöbeln, ist die Entwicklung anders. Hier gibt es bereits heute erfolgsversprechende Ansätze, die zeigen, dass die Beratung nicht mehr unbedingt im Geschäft erfolgen muss. Matratzenhändler Concorde zeigt, wie es geht. Verkäufer beraten im Live-Chat ihre Kunden oder die Kunden können sich direkt über das Tool Matratzenfinder die passende Matratze auswählen.

Eines steht fest: immer mehr Beratung wird ins Internet verlagert. Die Beratung erfolgt dort aber nicht nur durch intelligente Software - bzw. mithilfe sogenannter Chatbots -, sondern auch durch Menschen, die über digitale Kanäle die Kunden beraten. In der Modebranche hat diese Entwicklung angefangen. Unternehmen, wie „Outfittery“ oder „Zalon“, stellen nach einer umfassenden Bedarfsanalyse ihren Kunden individuelle Outfit-Vorschläge zusammen und schicken ihnen anschließend ein Paket mit Kleidungsstücken, die auf die individuellen Wünsche des Käufers abgestimmt sind. Auch in der Möbelbranche gibt es Ansätze von sogenannten „kuratierten Shops“. Bei „99chairs“ machten Innenarchitekten und Stylisten dem Kunden auf Basis des Wohnungsgrundrisses, von Fotos und einer detaillierten Bedarfsanalyse Einrichtungsvorschläge für seine Wohnung. Wenn der Vorschlag passte, konnte der Kunde die Möbel gleich dort bestellen. Die Umsätze des Berliner Unternehmens reichten jedoch nicht aus, um die Kosten für die teure Beratungsleistung zu decken. Das Unternehmen musste deshalb vor einigen Wochen Insolvenz anmelden.

Um individuellen Beratungs-Service im Internet bieten zu können, müssen Unternehmen in qualifizierte Mitarbeiter investieren. Die genannten Unternehmen beschäftigen deshalb Stylisten und Innenarchitekten, die ihre Kunden über Chat, Videokonferenz oder Telefon beraten. Allein der Online-Herrenausstatter Outfittery hat 150 Stylisten im Team.

Käufer suchen persönliche Beratung im Internet

Dass sich viele Kunden auch im E-Commerce Beratung wünschen, zeigen zahlreiche Plattformen. Viele Kunden fühlen sich vom großen Angebot im Internet überfordert und suchen deshalb nach Portalen, die eine gewisse Vorauswahl treffen und das Angebot reduzieren. Der Kunde geht auf die Plattform, auf der er seinen Stil und seine Produkte wieder findet. Ein Anbieter, der der das vorbildlich macht, ist Online-Modehändler „About you“. Das zur Otto Gruppe gehörende Unternehmen bietet Produkte für trendbewusste 20- bis 40-jährige Männer und Frauen an. Das Kreativ-Team legt fest, welche Produkte in den Shop kommen und welche Produkte zudem durch Influencer besonders in den Fokus gestellt werden.

Ähnliche Entwicklungen gibt es in der Möbelbranche. Das Münchner Start-Up Unternehmen „Westwing“ macht es erfolgreich vor. Es bietet exklusiv für seine Mitglieder Produkte an, die von Trendscouts weltweit ausgesucht wurden. Auch „Wohnklamotte“ ist mehr als ein normaler Online-Händler. Das Hamburger Unternehmen erzählt Geschichten, stellt Wohntrends vor, gibt DIY-Tipps und lässt Blogger über ihren Einrichtungsstil berichten. Das Unternehmen ist Inspirationsgeber und Verkäufer der Lieblingsmöbel zugleich. Auch viele kleine Internetplattformen, wie „So lebe ich“, gehen diesen Weg und bieten Inspiration, Beratung und Kauf an.

All die Beispiele zeigen, dass sich der Verkauf von Möbel in den nächsten Jahren verändern wird. Die Beispiele zeigen aber auch, dass kompetente Berater oder kreative Stylisten und Innenarchitekten auch in der Zukunft gefragt sein werden. Von daher ist es unerlässlich, auch künftig gute Fachberater auszubilden. Es ist aber gut möglich, dass diese Menschen später nicht mehr im Geschäft stehen, sondern ihre Beratung im Büro oder von zu Hause aus tätigen. Deshalb ist die Bereitschaft von allen Beteiligten, neue Wege zu gehen, ein wichtiger Erfolgsfaktor in der digitalen Welt.


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