HDH/VDM
Möbeln mit elektrischen Komponenten …

… gehört die Zukunft. Smart Home-Technologien betreffen das Wohnen und eben auch Möbel. Möbel bieten Integrations-Möglichkeiten von Elektrogeräten, die smartes Wohnen erst ermöglichen. Auf Kundenseite hat sich längst herumgesprochen, dass Komfort und Bequemlichkeit in vielerlei Hinsicht schon heute – ähnlich wie im modernen Automobil – realisierbar sind und es viele weitere Ideen geben wird, auf die übrigens alle Altersklassen dann auch nicht mehr verzichten wollen. Ein Gastbeitrag von Marcus Kirschner, Referent Umwelt, Technik, Normung und Forschung HDH/VDM.

Von der Zeitschiene her betrachtet sind elektrisch verstellbare Lattenroste zwar ein alter Hut, aber für viele Kunden heute ein unverzichtbarer Bestandteil etwa beim halbliegend-halbsitzend Lesen im Bett. Leuchtelemente im Bett oder auch voll integrierte beleuchtete und per Funk-Fernbedienung oder App gedimmte farbwechselnde Korpusböden sind im Angebot. Indirektes LED-Licht unterm Bett, im Kleiderschrank, in Regalböden aus Hänge-Schränken, die per Liftbeschlag herunterfahren, oder höhenverstellbare Tisch- und Arbeitsflächen sind in und schon längst nicht mehr nur bei Büromöbeln anzutreffen.
Öffnungsunterstützungen für Klappen, Schubkästen oder Türen erhöhen den Komfort bei griffloser Frontengestaltung in der Küche. Herausfahrbare Fernseher, integrierte Lautsprechersysteme, Multimedia Switches, integrierte Microserver, Touchpanels, Schalter und andere Bedien-Elemente werden immer weniger als Luxus im multimedialen Wohnzimmer wahrgenommen. Fernsehsessel und Sofa lassen sich elektromotorisch verstellen, Kopfteile oder Fußauflagen mit Memory-Funktion oder Aufstehhilfen empfangen uns nach getaner Arbeit.
All diese Mehrwerte werden durch ein wachsendes Interesse und die damit einhergehende wachsende Nachfrage in den kommenden Jahren sehr an Bedeutung gewinnen.

Europäische Richtlinien, Normen und Gesetze

Wollen Möbelhersteller diesen Anforderungen gerecht werden, ist es unabdingbar, sich in dem komplexen Gefüge der europäischen Rechtsvorschriften zurecht zu finden. Möbelhersteller müssen die grundlegende Fragestellung beantworten, ob und unter welchen Bedingungen Möbel mit elektrischen Komponenten unter welche der europäischen Richtlinien fallen.
Zunächst ist als Klammer die allge­meine Produktsicherheits-Richtlinie (2001/95/EG) zu betrachten. Mit dieser Richtlinie soll sichergestellt werden, dass die in den Verkehr gebrachten Produkte sicher sind. Nach der Produktsicherheits-Richtlinie ist ein „sicheres Produkt jedes Produkt, das bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung, was auch die Gebrauchsdauer sowie gegebenenfalls die Inbetriebnahme, Installation und Wartungs-Anforderungen einschließt, keine oder nur geringe, mit seiner Verwendung zu vereinbarende und unter Wahrung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit von Personen vertretbare Gefahren birgt.“
Sie gilt auch für Aspekte und Risiken, die nicht von Sicherheits-Anforderungen in anderen spezifischen Rechtsvorschriften abgedeckt sind. Bezüglich diesen ist vom Möbelhersteller bei der Verwendung von elektrischen Bauteilen darauf zu achten, dass die Lieferanten die vorgeschriebenen Anforderungen an die CE-Kennzeichnung und die Dokumentation erfüllen. Prüfen sollte er ebenfalls, ob er gegebenfalls von diesen gesetzlichen Regelungen betroffen sein könnte.
Die spezifischen Rechtsvorschriften der EU überschneiden oder ergänzen sich teilweise, da sie eine Vielzahl von Produkten abdecken. Daher besteht auch die Möglichkeit, dass für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme eines Produktes mehrere Gesetze berücksichtigt werden müssen. Die  Übersicht unten listet die wesent­lichen europäischen Richtlinien dazu auf.
Insbesondere die europäischen Richt-linien gelten als sogenannte „Total Safety Directives“. Dies bedeutet, dass – gleich welche Richtlinie angewendet wird – das Produkt alle geltenden      Sicherheits-Anforderungen erfüllen muss. Ziel dabei ist nicht nur die Erhöhung der Sicherheit, sondern auch deren Gewährleistung.
Die spezifischen Richtlinien enthalten Anforderungen zu Konformitäts-Bewertungsverfahren, zur Durchführung einer Risikobeurteilung, zur Erstellung einer technischen Dokumentation sowie zur Produkt- und CE-Kennzeichnung.
Die europäischen Richtlinien werden in nationale Gesetze überführt. In Deutschland geschieht dies durch das Produktsicherheits-Gesetz (ProdSG) und abgeleitete Verordnungen zu den spezifischen EU-Richtlinien.
Zusätzlich kann eine Vielzahl von europäischen und internationalen Normen aus dem Elektrobereich relevant werden, abseits von den ursächlichen Normen für Möbel.
Die Regulierung in Europa nimmt stetig zu. Die Ungleichheit bei der Umsetzung der europäischen Richtlinien steht in den Mitglieds-Staaten trotz eines freien Binnenmarktes der beabsichtigten Harmonisierung entgegen.Zweifelhafte Importe aus Asien tun ihr Übriges. Auch der deutsche Gesetzgeber nimmt seine sich selbst auferlegte Vorreiterrolle sehr ernst und legt oft noch „eine Schippe“ drauf.
Dass damit Bürokratie und Kosten in den Unternehmen steigen und auch negative Einflüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit gerade im internationalen Kontext haben können, ist sicher mehr als nur eine Randbemerkung wert. Daher ist es zu begrüssen, dass ab diesem Jahr die Arbeiten beginnen, die Maschinen-Richtlinie in eine in jedem Mitglieds-Staat gleichermaßen geltende Maschinen-Verordnung zu überführen.  Der VDM beteiligt sich aktiv an diesem Prozess.
Der Möbelkunde wünscht zusätzliche und erweiterte Funktionalitäten. Diese lassen sich in einer vernetzten Welt nur durch elektrische Komponenten realisieren. Dadurch erwächst bei den Unternehmen auf technischer Ebene der Bedarf an noch breiter gefächertem Expertenwissen abseits der klassischen Holztechnik.
Dass die deutsche Möbelindustrie diesen Wünschen gepaart mit anspruchsvollem Design gerecht wird, belegt ihre besondere Stärke und Innovationskraft. Damit dies auch so bleibt, arbeiten unter Koordination des VDM Unternehmen der Büro-, Küchen-, Objekt-, Polster-, Schlaf- und Wohnmöbelindustrie sowie der Verbände und der Prüfhäuser und Konformitätsbewertungs-Stellen an der Erstellung eines Branchenleitfadens zur „Anwendung der europäischen Richtlinien auf Möbel mit elektrischen Komponenten“.
All dies läuft in der Regel abseits der Wahrnehmung der Möbelkunden ab, die sich mitunter wundern, welche umfangreichen Informationen sie zu ihren Produkten erhalten. So zum Beispiel bei elektromotorisch verstellbaren Sitzmöbeln wie Fernsehsesseln, die nach Maschinen-Richtlinie eine CE-Kennzeichnung als Maschine erhalten.
Ob Josef Hoffmann 1905 bei seiner „Sitzmaschine“ schon einen Verdacht gehabt hat, dass dieser Begriff rund 100 Jahre später eine besondere spezifische Bedeutung bekommen würde, bleibt leider bis heute offen.


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