Heimtextil-Blognachrichten
Gast-Beitrag: Architektur: Wozu noch Formen und Farben?
Könnten wir nicht einfach in grauen Einheitsräumen leben und sie durch eine Brille gestalten wie wir wollen?
Augmented Reality ist im Anmarsch und theoretisch in der Lage, die gesamte Realität, die wir wahrnehmen, so erscheinen zu lassen, wie wir es gerade wollen. Heute sind es Mobiltelefone, die die Realität, die wir sehen, auf dem Bildschirm verändern, ihr etwas hinzufügen. Morgen schon tragen wir Brillen, die uns das Hinzugefügte so erscheinen lassen, als wäre es die Realität. Brauchen wir dann noch mit Farben und Formen gestaltete Wohnräume? Könnten wir nicht einfach in grauen Einheitsräumen leben und sie durch eine Brille gestalten wie wir wollen?
Technologie: Plötzlich wird die Spielerei ernst
Die Virtualisierung der Realität, in der wir leben, ist auf dem Vormarsch. Software und Hardware schießen aus dem Boden. Augmented Reality Apps erscheinen jeden Tag. Das iPhone 8 soll die Funktionalität integriert haben und Facebook hat 40.000 Entwickler mit einem Software Development Kit ausgestattet. Das heißt, sie bekommen ein fertige Technologie-Plattform, auf der sie sich austoben können und die verrücktesten Augmented Reality Ideen verwirklichen können.
Technologien werden massenfähig, ohne dass man es merkt. Plötzlich schnellt die Adaptionskurve in die Höhe und eine neue Selbstverständlichkeit etabliert sich. Aus Gewohnheit wird Abhängigkeit. Ja, Google Glass wird heute belächelt, aber das bedeutet nur, dass Menschen damals noch nicht bereit waren und dass das Produkt nicht die formalen Voraussetzungen hatte, ein Mode-Accessoire zu werden. Die Idee an sich ist jedoch gerade dabei, neu zu entstehen.
Warum Wohnräume noch physisch gestalten?
Ein grauer Tisch kann im Handumdrehen grün werden. Giftig gelbe Punkte dazu gefällig? Sollen sie auch noch umherschwimmen? Augmented Reality macht es möglich, legt eine Farbschicht virtuell über meinen Tisch und passt diese immer wieder blitzschnell meinem Betrachtungswinkel an. Noch eine Blumenvase darauf? Oder doch lieber eine Skulptur? Soll die Oberfläche schnell mal ein Fischteich werden?
Wenn sich technisch solche Möglichkeiten eröffnen und das Gesehene als Realität empfunden wird, macht es dann noch Sinn, sich als Gestalter eine Farbgebung zu überlegen, Geld in Produktentwicklung zu stecken? Eines ist sicher: Technologische Entwicklungen kann man nicht aufhalten, wenn sie im Menschen den Spieldrang erwecken.
Architekten müssen die neue Realität gestalten!
Der Realitätsbegriff ist dabei, neu definiert zu werden. Architekten müssen sich rüsten, damit sie auch in Zukunft noch eine Rolle spielen. Menschen werden irgendwann anfangen, ihre bisherigen, im Durchschnitt tristen Wohnräume durch virtuelle Add Ons nach ihrem Geschmack zu verändern. Die Gefahr ist, dass sie sich so von der Realität immer weiter entfernen, sich in einer neuen virtuellen verlieren. Wir müssen neue Technologien zulassen, aber wir müssen sie gemeinsam und innovativer nutzen als bisher. Architekten haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Menschen sich auch in Zukunft zu Hause wohlfühlen.
Besuchen Sie die nächste Heimtextil in Frankfurt am Main, vom 9. bis 12. Januar 2018, auf der wir vom Finest Interior Award die große Frage stellen: “What’s real?”