Interview mit Hauke Kahlcke, Vorstand Aktivbank AG
Wie meistern Händler die Lage?

Hauke Kahlcke: „Es findet in der Branche bereits ein Umdenken statt und es wird noch stärker an den Kosten gearbeitet.“

Die Aktivbank AG sieht sich als deutscher Marktführer der bankgestützten Zentralregulierung. Der ZR- und Factoring-Anbieter aus Frankfurt am Main betreut rund 10.000 Firmenkunden bundesweit – ein Schwerpunkt ist der Möbel- und Küchenhandel. Hauke Kahlcke ist Mitglied im Vorstand der Aktivbank AG und war lang­jähriges Vorstandsmitglied im Deutschen Factoring-Verband. Gerald Schultheiß sprach mit ihm darüber, wie der Möbel- und Küchenhandel die aktuellen Herausforderungen meistert und warum die Teilnahme an der ZR eine Win-win-win-Situation für Händler, Verbundgruppen und auch ihre Lieferanten ist.

MM: Herr Kahlcke, als Marktführer bankgestützter Zentralregulierung mit Fokus auf den Möbel- und Küchenhandel kümmert sich die Aktivbank um die Zahlungsabwicklung aller Bestellungen, die Mitglieder einer Einkaufsgemeinschaft bei ihren Lieferanten tätigen. Entsprechend umfassend sind Ihre Einblicke in die Geschäftsentwicklung. In welcher Verfassung sehen Sie aktuell die Möbel- und Küchenbranche?

Hauke Kahlcke: Aktuell sehen wir die Branche mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Während der Möbel- und Küchenhandel als klarer Gewinner der Pandemie galt, bewirken die aktuell hohe Inflation und die geschwächte Baukonjunktur nun das genaue Gegenteil.

Anbieter im hochpreisigen Segment können dies momentan durch Preissteigerungen teilweise kompensieren. Vor allem aber die Händler im Niedrigpreis-Segment müssen sich auf geringere Stückzahl-Verkäufe einstellen.
Wir nehmen allerdings auch wahr, dass in der Branche bereits ein entsprechendes Umdenken stattfindet und beispielsweise noch stärker an den Kosten gearbeitet wird.

MM: Herr Kahlcke, wie sehr beschäftigt Sie die aktuell angespannte Lage sowie die Zahl an Insolvenzen?

Kahlcke: Auch die Aktivbank beobachtet die momentane Lage sehr genau. Zunächst führen die Auswirkungen des wirtschaftlichen Umfelds zu Umsatzrückgängen. In der Möbelbranche liegen die Einkaufsumsätze aktuell ca. 10% unter dem Vorjahresniveau.

Diese Entwicklung führt tatsächlich zu einer gestiegenen Zahl an Insolvenzen, allerdings ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Als Bank sind wir aufsichtsrechtlich getrieben – und natürlich auch aus eigenem Antrieb geübt – diese Risiken zu erkennen und zu steuern. Insofern bereitet mir diese Thematik keine schlaflosen Nächte, lässt mich aber aufmerksam bleiben.

MM: Und wie stellt sich der aktuelle Einkaufsumsatz eigentlich im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorpandemie-Jahr 2019 dar?

Kahlcke: Schauen wir uns die Einkaufsumsätze der Möbel- und Küchenbranche der ersten sechs Monate 2019 an und setzen diese in den Vergleich mit dem diesjährigen ersten Halbjahr, ist – trotz aktueller Entwicklungen – in Summe ein Anstieg von knapp 14,5% zu verzeichnen.

Dabei sei aber deutlich darauf hingewiesen, dass wir zum einen über die Einkäufe und nicht den Verkauf be- richten und dass insbesondere im 2. Quartal auch die Einkaufsumsätze rückläufig sind. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich die Branche während der Pandemie trotz vieler Herausforderungen behauptete und steigende Umsätze erzielte.

Bessere Einkaufskonditionen und Planungssicherheit

MM: Inwiefern können Händler in der aktuell angespannten Situation von der ZR profitieren?

Kahlcke: Der Zentralregulierer bezahlt bei Skontofälligkeit sämtliche Forderungen seiner Mitglieder: Die Überweisung erfolgt gesammelt je Lieferant. Zugleich stellt er gegenüber seinen Mitgliedern Sammelrechnungen für alle Warengeschäfte bei sämtlichen Lieferanten aus. Je nach Umfang der mit dem Zentralregulierer vereinbarten Leistungen unterscheidet man dabei verschiedene Verfahren bzw. Produktkategorien.

Für den Händler fallen bei der ZR keinerlei Kosten an. Im Gegenteil: Der Einkaufsverband verhandelt sowohl mit dem Lieferanten als auch mit der durchführenden Bank eine ZR- bzw. Delkredere-Gebühr und die Überschüsse – der Lieferant zahlt in der Regel mehr als der Verband – kommen dem Händler direkt oder indirekt zugute. Dies ist abhängig davon, wie der Verband ZR-Überschüsse behandelt.

Heißt: Der Händler profitiert durch die Teilnahme an der ZR von ZR-Überschüssen und von vereinfachten Zahlungs- und Clearing-Prozessen sowie einer unbeschränkten Belieferung durch die gelisteten Lieferanten. Durch vorab festgelegte Regulierungstermine vergrößert sich oftmals auch der Spielraum für freie Liquidität. Finanzielle Planungssicherheit und den Kopf für das Wesentliche frei zu haben, sind heute mehr denn je wichtige Erfolgsfaktoren.

MM: Wie viele Händler nehmen eigentlich an der ZR teil?

Kahlcke: Sobald ein Händler Mitglied der Einkaufsgemeinschaft ist, kann er bei passender Bonität grundsätzlich an der ZR teilnehmen. Bei der Aktivbank sind dies momentan über 7.000 Unternehmen in diversen Branchen des Handels. Es sollte im Interesse aller Händler sein, an der ZR teilzunehmen, da dies finanzielle Vorteile mit sich bringt und gegenüber den Lieferanten die zweifelsfreie Bonität dokumentiert.

MM: Und was ist an einer bankgestützten Zentralregulierung eigentlich besonders?

Kahlcke: Im Rahmen der bankgestützten ZR wird die gesamte Abwicklung des Zahlungsprozesses von einer beaufsichtigten Vollbank übernommen. Im Falle der Aktivbank bedeutet dies, dass alle teilnehmenden Partner – also Verband, Händler und Lieferanten – von wesentlichen Vorteilen profitieren. Im Fokus stehen hier vor allem Sicherheit, die Digitalisierung unserer Dienstleistungen sowie das Angebot passgenauer Finanzierungsprodukte.

„Der Händler profitiert von Überschüssen, vereinfachten Prozessen und unbeschränkter Belieferung.“

Als Bank setzen wir z.B. durch, dass der Händler schuldbefreiend an die Bank zahlen kann und damit kein Doppelzahlungs-Risiko hat. Der Lieferant erhält wiederum das Zahlungsversprechen einer Bank für seine Forderungen. Händler und Lieferant können außerdem bei Bedarf Finanzierungsprodukte für die regulierten Forderungen in Anspruch nehmen.

Beim Belegfluss haben wir die Möglichkeit einer volldigitalen Lösung inklusive geprüftem Digitalarchiv geschaffen. Dies könnte sicherlich auch jeder andere Zentralregulierer tun, hier ist es aber letzten Endes eine Frage der Sicherheit, denn bei einer Vollbank hat die BaFin immer auch die IT-Sicherheit im Blick.

MM: Gibt es neben den konditionellen Vorteilen noch weitere Argumente für die ZR?

Kahlcke: Grundsätzlich bietet die ZR den Mehrwert für Händler, Zeit und Ressourcen bei der Verbuchung und Archivierung der Rechnungen einzusparen sowie die Betriebsorganisation grundsätzlich zu erleichtern. Über eine digitale Plattform können sämtliche Belege und Abrechnungslisten 24/7 abgerufen werden und die Daten sind an zentraler Stelle verfügbar und online durchsuchbar.

„Festgelegte Termine ver­größern oft auch den Spielraum für freie ­Liquidität.“

Wer einmal Belege aus den Vorjahren im Papierarchiv gesucht hat, weiß, wovon ich spreche. Buchhaltung und Controlling des Händlers können einiges automatisieren und somit deutliche Effizienzen heben.

MM: Bringt die ZR eigentlich auch konkrete Nachteile mit sich?

Kahlcke: Der Händler muss den Zentralregulierer jährlich durch Jahresabschlüsse und BWA´s über seine positive wirtschaftliche Entwicklung auf dem Laufenden halten. Sollte sich seine Bonität rapide verschlechtern, kommt es zu einem Ausschluss aus der ZR und alle an der ZR teilnehmenden Lieferanten werden gleichzeitig darüber informiert.

Bei der Aktivbank führen wir selbstverständlich im Vorhinein intensive Gespräche mit dem betroffenen Händler und suchen nach anderen Lösungen: Ein Ausschluss ist immer nur das letzte Mittel der Wahl.
Im letzten Jahr haben wir ca. zehn von unseren über 7.000 ZR-Händlern ausschließen müssen – also weniger als 0,2%. Der Nutzen der ZR für den Händler überwiegt also eindeutig.

Jetzt finanziell absichern

MM: Was sollte ein Händler jetzt für seine finanzielle Absicherung tun?

Kahlcke: Die wirtschaftlich herausfordernden Zeiten gelten leider auch für die Kunden der Händler. Also sollten Händler sicherstellen, dass über Anzahlungen das wirtschaftliche Risiko minimiert wird. Ein zu großes Entgegenkommen zur Ankurbelung der Umsätze wäre hier die falsche Reaktion.

Überprüfen Sie nochmals alle Kosten-Positionen auf Einsparpotenziale, sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern, dass   z. B. Urlaubszeiten in Zeiten mit wenig Frequenz gelegt werden, prüfen Sie eine Optimierung der Öffnungszeiten, auch im Sinne der Energieeffizienz. Erstellen Sie unbedingt einen Liquiditäts-Plan für die kommenden Monate, auch wenn Sie mit Annahmen bei den Abverkäufen arbeiten müssen.

„Die ZR bietet den Mehrwert, Zeit und Ressourcen zu sparen und die Betriebsorganisation zu erleichtern.“

Und sollten Sie bei verschiedenen Szenarien Unterdeckungen bei der Liquiditätsversorgung sehen, die nicht durch Kreditlinien oder Reserven ausgeglichen werden können, dann sollten Sie frühzeitig mit ihrer Hausbank sowie mit ihrem Zentralregulierer sprechen und ihr Bestellverhalten anpassen. Eine Lagerreduzierung auf das Notwendige sollte in der jetzigen Phase unbedingt angestrebt werden.


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