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Expertenbeitrag: Reparatur von Anilinleder?

Der folgende MÖBELMARKT-Experten-Beitrag wird Ihnen von zur Verfügung gestellt. Form, Stil und Inhalt liegen allein in der Verantwortung des Autors Frank Recht. Die hier veröffentlichte Meinung kann daher von der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers abweichen.

Eine sach- und fachgerechte Einschätzung und ein Plädoyer für mehr Transparenz von Frank Recht | ö.b.v Sachverständiger für Leder, Ledermöbel, Echtlederbestimmung und Schadensbewertung

In meiner Tätigkeit als Sachverständiger für Leder, Berater und Dozent für Industriebetriebe, Handwerksbetriebe und Fachbetriebe habe ich immer wieder mit misslungenen Reparaturen oder Fällen mit Leder zu tun, in denen der Kunde über die Reparatur nicht aufgeklärt worden ist oder Reparaturen durchgeführt worden sind, die weder fach- noch sachgerecht waren.

Seit über 20 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Leder und mir fällt auf, dass es gerade bei Reparaturen von Anilinleder (welches heutzutage zum Glück wieder einen Aufschwung im Bereich der Polstermöbel erfährt), besonders häufig zu Streitfragen kommt. Anfangs meist, weil der Kunde im Möbelhaus nicht korrekt oder unzureichend beraten worden ist. Dies liegt zum Teil an der Unkenntnis der Verkäufer zu dieser Lederart, oder aber auch am Verständnis der Kunden, die sich ein gefährliches Halbwissen aus dem Internet aneignen.

Das Hochwertmaterial Anilinleder erweist sich in der Verarbeitung als speziell und schon hier können Fehler passieren bzw. das Material kann schon vor der Auslieferung aus dem Werk beschädigt worden (z.B. Flecken, Abschürfungen usw.). Bei pigmentierten Ledern wie Semianilin oder gedecktes Leder stellen diese herstellungsbedingten Oberflächenschäden kein Problem dar, denn diese können von Fachleuten meist sachgerecht behoben werden, je nach Fingerfertigkeit und Fähigkeit des Farbenmischens.

Allerdings kursieren seit geraumer Zeit in den unterschiedlichen Medien. Filme und Berichte über die Reparatur von Anilinledern (meist im Bereich der Polstermöbel, aber auch Bekleidung), Flecken oder Naturmerkmale auf Anilinleder werden entfernt und versucht zu beseitigen. Lederreparaturbetriebe werben mit dieser Art der Reparatur. Zudem werden diese Reparaturen von Serviceunternehmen bei Neumöbeln im Werk oder beim Kunden vor Ort durchgeführt.

Jetzt stellt sich die Frage, ist dies überhaupt fachgerecht und wenn ja, welche Reparaturmaterialien und Schritte sind dafür notwendig? Dazu sollte aber erst einmal erörtert werden, was Anilinleder überhaupt ist.

Was genau kennzeichnet Anilin-Leder?

Nach der aktuellen DIN EN ISO 15987 ist Anilinleder: Leder, dessen natürlicher Narben eindeutig und vollständig erkennbar ist, wobei die Zurichtung eines jeglichen Flächenüberzuges mit einer unpigmentierten Zurichtung kleiner oder gleich 0,01mm ist. Anilinleder werden auch als offenporig bezeichnet.

Diese Lederart ist nicht umsonst die teuerste, empfindlichste und feinste Lederart im Ledersegment. Hier werden nur die besten, schönsten und gleichmäßigsten Leder ausgewählt. Im Gegensatz zu textilen Polsterstoffen - hier wird der Preis über die Ausrüstung des Textils gesteuert, das heißt, je mehr das Textil aushalten kann (Scheuertouren, Pillingbildung usw.), umso teurer ist es.

Anilinleder hat leider den Nachteil, dass es aufgrund seiner Natürlichkeit und Offenporigkeit und den über die DIN verankerten Vorschriften nur in gewissem Masse ausgerüstet werden kann. Es wäre noch einiges mehr möglich, wenn der Preisdruck nicht so immens wäre, Hydrophobierung, Oleophobierung sind nur zwei davon.

Zurück aber zu den Anilinreparaturen. Im Allgemeinen sind im Bereich der Lederreparatur keine Lederprofis (sprich Gerber oder Ledertechniker und wenn, nur bei den Herstellern in der Entwicklung) anzutreffen. Wenn es gut läuft, kommen die Personen wenigstens aus angrenzenden Fachbereichen wie Polsterei oder Sattlerei. Leider ist das nicht immer so. Ein spezielles Grundwissen z.B. zum Erkennen der Lederart oder der Herstellung muss somit erst einmal über einen längeren Zeitraum erlernt werden!

Wenn wir über die Reparatur von Anilinleder sprechen, sollten wir auch die Reparaturmaterialien beleuchten, die auf dem Markt üblich bzw. erhältlich sind. Diese Materialien sind keine anderen, als solche, die der Gerbindustrie zur Verfügung stehen. Sprich: Zauberei fällt daher schon mal raus!

Die Produkte bekannter Hersteller von Reparaturmaterialien in Europa und Übersee unterscheiden sich grundlegend. Dies ist, wie auch in der Zurichtungsabteilung der Gerbereien, der Entwicklung und dem Einsatzbereich des Leders geschuldet (z.B. Automotivleder, Polstermöbelleder, Bekleidung usw.). Hiervon ist abhängig, welche Feststoffanteile, Pigmente und welche Binder eingesetzt werden. Nicht jedes Produkt passt zu jedem Leder, so auch hier!

Im Reparatursektor werden für den Massenmarkt anwenderfreundliche „Ready to use“ Produkte entwickelt. Diese sind ähnlich einer üblichen Deckfarbe in der Gerberei aus Polyurethanbindern und / oder Acyrlbindern und Pigmenten aufgebaut, da die meisten Reparaturen bei den pigmentierten Lederarten anzutreffen sind. Es dürfte allerdings klar sein, dass diese „Ready to use“ Produkte ein beschränktes Anwendungsgebiet haben. Für Anfänger sind diese aber erst einmal geeignet, um sich an das Thema der Lederreparaturen heranzutasten.

Zusätzlich gibt es noch Farbstoffprodukte auf dem Markt für Zweitoneffekt, Vintage-Look o.ä., die aber wie in der Gerberei relativ wenig Deckkraft haben. Zudem werden Polyurathan und / oder Acrylfüllmassen sowie Stuckiermassen für die Reparatur von Kratzern, Aushebern usw. genutzt. Dieses Portfolio stellt soweit ein gängiges Sortiment für ein durchschnittliches Lederreparaturunternehmen dar.

Bei den meisten in Internetvideos durchgeführten Reparaturen in der Polstermöbelindustrie sowie mir vorliegenden Gerichtsakten und Kundenfällen zu diesem Thema ist immer das Gleiche aufgefallen: der Einsatz einer pigmentierten Deckfarbe!

Einsatz von Pigmenten bei Reparaturen von Anilinleder verändert die Lederart

Nicht alle Reparaturen waren schlecht. Ganz im Gegenteil. Es waren einige dabei, die meinen Respekt und Anerkennung für die künstlerische Arbeit hatten. Allerdings, wenn wir uns den Passus in der DIN anschauen, ist bei Reparaturen von Anilin-Leder der Einsatz eines Pigmentes nicht erlaubt ist. Denn das bedeutet, dass der Reparateur durch den Einsatz einer pigmentierten Deckfarbe die Lederart ändert! Dieses wiederum bedeutet aus Sachverständigen-Sicht und technologisch, dass die erfolgten Reparaturen als nicht fachgerecht anzusehen sind.

Definition von fachgerecht: Nach Wikipedia und dem Duden wird fachgerecht auch mit fachmäßig gleichgesetzt. Sprich, so wie es Fachleute nach dem Stand der Technik machen.

Ein Großteil der Reparaturen bei Anilinleder wird allerdings mit einer Deckfarbe, wenn auch sehr dünn, durchgeführt werden müssen, da die gängigen Farbstoffe nicht die Deckkraft haben, um Flecken oder leichte Beschädigungen, ausreichend abzudecken. Meist erfolgt danach noch ein leichter Farbstoffauftag, um die Natürlichkeit eines Anilinleders widerzuspiegeln.

Daher sind die zur Zeit mir bekannten durchgeführten und beworbenen Anilinlederreparaturen, unter den vorliegenden Erkenntnissen als nicht fachgerecht zu bezeichnen.

Auch ergeben sich für den Kunden folgende Nachteile bei einer solchen Reparatur: Es ist in Fachkreisen bekannt, dass Anilinleder eine durchschnittliche Lichtechtheit von ungefähr 3 besitzt. Die aufgetragene Deckfarbe im Bereich der Reparaturstelle besitzt im Gegensatz dazu eine Lichtechtheit, abhängig vom Pigment, von meist über 6. In der Ledermöbelindustrie wie auch bei den Reparaturbetrieben im Anilinlederbereich werden meist punktuelle Reparaturen durchgeführt und das Anilinleder relativ schnell (je nach Lichteinwirkung und Nutzung) Veränderungen zeigen wird, wird auch die Reparaturstelle relativ schnell wieder sichtbar werden. Da diese durch den Einsatz einer pigmentierten Deckfarbe eine höhere Lichtechtheit und komplett andere Echtheiten aufweist als der restliche Bereich, der noch offenporig ist. Abgesehen von der nicht fachgerechten Reparatur haben wir dann einen Kunden, der sich zu recht beschweren wird. Gerade wenn es um Waren geht, die in der Gewährleistungszeit liegen oder für teures Geld angeblich fachgerecht repariert worden sind. Hier ist bitte zu bedenken, dass bei einer nicht fachgerechten Reparatur die Haftung nach der 2- jährigen Gewährleistung eventuell nicht endet, da dies - je nach Auslegung - den Bestand eines verdeckten Mangels erfüllen kann und vom Verursacher zu tragen ist.

Dem Privatkunden sollte in jeden Fall am besten schriftlich mitgeteilt werden, was und wie die Bearbeitung durchgeführt wird und welche Folgen dies hat, da ein Laie die Spannweite einer solchen Bearbeitung nicht nachvollziehen bzw. überschauen kann. Wichtig, dies ist kein rechtlicher Schutz oder Freifahrtsschein!

Im Industriebereich ist von dieser Art der Reparaturen auf oder an einem Anilinleder tunlichst abzuraten.

Abschließend ist zu Reparaturen auf Anilinleder folgendes zu sagen: Leichte Kratzer oder Abschürfungen können mit einem dafür entwickelten Farbstoffprodukt meist fachgerecht repariert werden. Sobald allerdings eine Pigmentfarbe Anwendung findet, ist diese Art der Reparatur wie bereits erwähnt, aus sachverständiger Sicht und technologisch als nicht fachgerecht einzustufen und hat zudem - wie erwähnt – auch noch Nachteile für den Endverbraucher. Die vermeintliche Einsparung, egal ob Hersteller oder Privatkunde ist dann marginal, wenn das Ergebnis nicht stimmt. Leider werden offensichtlich nicht fachgerechte Anilinlederreparaturen oft nicht erkannt oder falsch bewertet, so dass die Dunkelziffer hier wohl höher liegt als erwartet.

Gerade deshalb sollte das Thema der Anilinreparaturen für den Kunden transparenter und technologisch fachgerecht angegangen werden und nicht mit täuschendem Marketing und Aussagen wie „Wir reparieren Ihr Anilinledersofa“ oder „Anilinleder wie neu“ usw. falsche Erwartungen gestreut werden oder zumindest auf den einschlägigen Portalen ehrlich erklärt werden und auf evtl. Nachteile bzw. Veränderungen dieser Lederart hingewiesen werden.

Frank Recht

www.lederakademie.de


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