Ligna 2019 – Fokus
Oberflächentechnologien à la carte

Beim Kauf von Einrichtungsgegenständen spielt die Beschaffenheit der Oberfläche eine wesentliche Rolle. Optik, Haptik und die Gebrauchseigenschaften von Möbel- und Fußbodenoberflächen stellen für den Endverbraucher ein wichtiges Kaufkriterium dar. Die diesjährige Ligna in Hannover rückt die jüngsten Oberflächentechnologien und ihre Features ins Rampenlicht.

Neue Konzepte | Die Oberflächentechnik zählt zu den Fokusthemen der diesjährigen Ligna (27. bis 31.Mai) in Hannover. Gegenüber den vorausgegangenen Ausgaben ist das Angebot in diesem Segment nochmals gewachsen und belegt die Halle 17 sowie einen Teil der Halle 16. Mehr als 130 Aussteller werden in den beiden Hallen alle Zutaten präsentieren, die zur Herstellung von Oberflächen erforderlich sind. Das An­gebot reicht von Roh- und Hilfsstoffen über Inspektions- und Transportsysteme bis hin zu den diversen Veredlungstechnologien.
Gerade in den vergangenen Jahren ist die Palette an Verfahren zur Herstellung von Möbel- und Fußboden-Oberflächen gewaltig gewachsen. Es ist die Antwort auf den Wunsch des End­verbrauchers nach einer persönlich gestalteten Wohnungseinrichtung. Gleichzeitig ist die Vielfalt an Materialien im Interieur gestiegen, was effiziente Verfahren und Prozesse zur Erzeugung dieser Oberflächen erforderlich macht.
Wie sich mit Hilfe von Oberflächentechnik heute beim Möbel- und Fußbodenkäufer Kaufanreize erzeugen lassen, können Ligna-Besucher nicht nur in den Hallen 16 und 17 live erleben. In den vergangenen Jahren haben namhafte Hersteller  von Holzbearbeitungsmaschinen ebenfalls in dieses Segment investiert und treten auf der Ligna nun auch mit Maschinen und Anlagen zur Veredelung von Plattenmaterialien auf. Oberflächentechnik ist auch in anderen Messehallen wie etwa in Halle 14 bei Homag oder Kleiberit in Halle 15 anzutreffen. Andere Anbieter wie Wemhöner oder Hymmen stellen in den Hallen 25 bzw. 26 aus.

Reklamationen vermeiden

Die zur Erzeugung von qualitativ anspruchsvollen Oberflächenprodukten und deren innerbetrieblichem Transport erforderliche Peripherie wird ebenfalls in Hannover gezeigt. Für die optimale Oberflächengüte der Holzwerkstoffplatte sorgten Schleifautomaten. Hier wird die Diagonalschleiftechnologie im Fokus stehen, mit der auch anspruchsvolle Arbeiten wie der Lack- und Furnierschliff ausgeführt werden können.
Spiegelglanzoberflächen erfordern bei der Herstellung größte Sorgfalt, um eventuelle Beschädigungen der Oberfläche und in der Folge Reklamationen zu vermeiden. Partikel und Staub etwa würden zu Produktionsstörungen bzw. Qualitätseinbußen führen. Auf der Ligna  treffen die Besucher entsprechende Lösungen von Firmen wie Wandres, Kullen-Koti oder Mink an, die im Herstellungsprozess Verunreinigungen durch Staub oder andere Schmutzpartikel vermeiden. Die „microcleaning“-Reinigungssysteme von Wandres etwa sorgen mit Hilfe von Schwertbürsten und einer lufttechnischen Vorreinigungsstufe für saubere Oberflächen. Für den innerbetrieblichen Transport hält die Firma Mink spezielle Transportrollen und Bürsten bereit, die dafür sorgen, dass die spiegelnden Lackoberflächen das Werk makellos verlassen.

Qualität kritisch beleuchtet

Eine nicht minder wichtige Rolle bei der Herstellung qualitativ hochwertiger Möbeloberflächen spielen Inspektions- und Messsysteme. Sie sorgen für Farbtreue im gesamten Prozess und sind in der Lage, Fehler oder Fremdpartikel in der Oberfläche zu detektieren. ­Dadurch sind sie ein weiterer wichtiger Baustein zur Reduzierung von Reklamationen. Firmen wie Fagus-­Grecon, Baumer oder Hecht werden  ihre jüngsten Entwicklungen auf diesem Gebiet in Hannover vorstellen. Experten rechnen damit, dass in naher Zukunft Kamerakontrollsysteme entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Druck über die Imprägnierung bis zur finalen Verpressung – maximale Qualität und Prozesssicherheit gewährleisten werden. Der „4i-Scanner“ der Firma Hecht beispielsweise bietet eine Inline-Vermessung bei der automatischen Möbelproduktion. Neben einer Dimensions- und Bohrlochkontrolle wird bei diesem System zusätzlich mit Hilfe von Kameras die Oberflächen- und Kanteninspektion durchgeführt.
Mit „ACMS“ von IPAC hat ­Fagus-Grecon ein Farbmesssystem für dekorative Oberflächen im Portfolio, das die visuelle Qualitätsbeurteilung durch die Nutzung von objektiven Messdaten ersetzt. Dadurch entstehen weitreichende Vorteile, die zu Zeit- und Kosteneinsparungen führen.

Mehr Authentizität

Bei der Herstellung von Melamin­oberflächen kommt den Pressblechen und -bändern, wie sie auf der Ligna beispielsweise von Ausstellern wie Hueck oder Sesa angeboten werden, eine wesentliche Rolle zu. Beim Verpressen lässt sich entweder eine glänzende Fläche oder eine haptische Struktur erzeugen, die seit kurzem auch synchron zu den Poren des Dekorpapiers verläuft. Einseitig oder beidseitig strukturiert, umfasst das Spektrum der auf diese Weise erzeugten Oberflächen von perfekten Nachbildungen der Natur in Form von Holz und Steinen, grafische Designs sowie puristische, glatte Flächen ­ohne Struktur. Alternativ können bei kleineren Losgrößen Strukturen aber auch mit Hilfe von sogenannten Strukturgeber-Papieren übertragen werden. Im Trend liegen derzeit vor allem supermatte Ober­flächen mit Anti-Fingerprint-Effekt, der mit Hilfe von neu entwickelten Verfahren wie z. B. dem Inert ­Coating oder Excimer-Technologie inzwischen auf verschiedenen Oberflächen wie HPL, Finishfolie und Lack erzeugt werden kann. ­­­Um Pflegeleichtigkeit und hohe Abriebwerte erzielen zu können, kommt State-of-the-Art-Technologie zum Einsatz, bei der Elektronenstrahl-Härtung die entscheidende Rolle spielt. Entsprechende „EB-Curing“-Anlagen hat auf der Ligna beispielsweise die Firma ­Efsen aus Dänemark im Portfolio.

Vielfalt an Oberflächentechnologien

Die Vielfalt der ausgestellten Lösungen zur Gestaltung von Möbel- und Fußbodenoberflächen auf der diesjährigen Ligna ist riesig. Neben Furnier- und Kaschiertechnik sowie diversen Lackierverfahren kommen heute auch innovative Prozesse wie etwa „HotCoating“ der Firma Kleiberit oder das „Inert & Fusion Coating“ der Firmen ­Henkel und Cefla zum Einsatz, weil sich damit auf wirtschaftliche Weise attraktive Spiegelglanzoberflächen im Durchlauf produzieren lassen. Ein Hotmelt, der auf die Dekorplatte aufgetragen wird, dient bei diesen Verfahren als Haftgrund für den weiteren Lackschichtaufbau.  
Im vielfältigen Angebot an Spritzlackiermaschinen werden Begriffe wie schneller, sparsamer und effizienter zu den wichtigsten Schlagworten  gehören. Neue Anlagen reduzieren die Lackverluste beim Farbwechsel und bieten die Möglichkeit, unterschiedliche Lackarten getrennt zu verarbeiten.

Digitaldruck weiter auf Vormarsch

Passend zum Ligna-Fokusthema „Smart Surface Technologies“ wird Bürkle auf seiner deutlich erweiterten Standfläche zudem die Vorteile des Robotereinsatzes bei der Veredelung von Oberflächen zeigen. In Kooperation mit einem renommierten Global Player aus dem Robotics-Bereich will das Unternehmen zwei automatisierte Fertigungszellen vorstellen. Nachdem Homag zur Ligna 2017 in die Nassbeschichtung eingestiegen war, will der Weltmarktführer im Mai nun ein deutlich erweitertes Portfolio an Spritzlackiermaschinen präsentieren, das sich sowohl an das Handwerk als auch an die Industrie richtet. Darunter finden sich Maschinen mit oszillierendem Spritzarm und Spritzroboter für komplexe 3D-Teilgeometrien. Digitaldrucktechnik bringt der Maschinenbauer ebenfalls mit: In Kooperation mit seinem Partner EFI Cretaprint wird Bürkle zwei Single-Pass Inkjetdrucker für den Holzdekordruck vorstellen. Er ist auf der Ligna nicht der einzige Anbieter, der mit Hilfe von Digitaldruck die Wünsche nach einer individualisierten Oberfläche oder geringen Losgrößen erfüllen kann.
Die Premiere einer Reihe von Digitaldruck-Lösungen wird zu den Highlights der Messe zählen und das Besucherinteresse auf sich ziehen. Die innovative Flüssigbeschichtung mit Hilfe von Inkjet-Technologie lässt sich nicht nur auf Flächen, sondern seit kurzem auch auf Kanten und somit auf thermoplastischen Materialien – als Alternative zu Papier oder einer beschichteten Holzplatte – durchführen. Mit Hilfe des Digitaldrucks können gleich mehrere Herstellungsschritte übersprungen werden, da die jüngsten Technologien neben der Optik auch gleich die passende Haptik auf das Substrat bringen. Damit lassen sich noch authentischere Holz- oder Steinreproduktionen erzeugen.
Auf der Ligna wird Wemhöner erstmals einen industriellen Digitaldrucker mit Single-Pass-Technologie vorstellen, der in der Lage ist von Rolle zu Rolle zu drucken. Bislang hatte das Unternehmen industriell arbeitende Digitaldrucker mit Multi-Pass-Technologie gebaut. Der Italiener Cefla will dagegen mit haptischen Effekten beim Digitaldruck punkten und bringt daher seine „my Texture“-Lösung mit, die in Zusammenarbeit mit dem Tintenhersteller Kuei entwickelt wurde. Sein Single-Pass-Drucker „J-PRINT SP1300 TD“ kann laut Firmenangaben eine Auflösung von 400 dpi, Geschwindigkeiten von über 50 m/min erzielen sowie eine Synchronporenoberfläche erzeugen. Auch beim Spanier Barberán werden Optik und Haptik eine wesentliche Rolle spielen. Auf seinem Messestand werden Digitaldrucker aus der „Jetmaster TXT“-Linie zu sehen sein, mit denen Substrate nicht nur dekorativ bedruckt, sondern auch mit einer haptischen Oberfläche versehen werden können.
Komplette Lösungen zur dekorativen Gestaltung von Oberflächen und Kanten will auch Hymmen vorstellen, der auf der Ligna die Entwicklungsergebnisse der neuen Modellreihe „Saturn“ gemeinsam mit einem Partner präsentieren und damit ein neues Spektrum an Anwendungsfeldern erschließen will. Mit der Messeneuheit ergänzt Hymmen seine Digitaldruck-Serie „Jupiter“, die ihn nach eigenen Angaben mit über 40 Anlagen zum weltweit führenden Hersteller bei Anlagen für die Holzwerkstoff-
­­in­dustrie gemacht haben. Mittels seines DLE (Digital Lacquer Embossing)-Verfahrens können haptische Effekte auf digital bedruckten Oberflächen erzeugt werden. Das Unternehmen demonstriert darüber hinaus, dass nun unifarbene Flächen streifenfrei und damit in hoher Qualität im SinglePass digital bedruckt werden ­können. Richard Barth


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