Nürnberger Gespräch
Den "Brennpunkt Rampe" entschärfen

Die Emotionen an der Schnittstelle zwischen Industrie und Handel kochen immer wieder hoch: Es war, als steche der MÖBELMARKT mit der Vorbereitung seines Nürnberger Gesprächs „Brennpunkt Rampe“ am 1. August in Herford in ein Wespennest. Klares Ziel des MÖBELMARKT war es, in der Tradition seiner Nürnberger Gespräche als neutraler Vermittler alle Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen – mit der Intention, gemeinsam Lösungsansätze zu diskutieren und so einen Prozess anzustoßen, um diesen Brennpunkt zu entschärfen. Moderiert von Gerald Schultheiß und Arnd Schwarze übertrafen der Verlauf und die Ergebnisse der vierstündigen Elefanten-Runde mit zwölf hochkarätigen Teilnehmern aus Handel, Industrie, Logistik und einem branchenübergreifenden Experten alle Erwartungen – bis hin zur Vereinbarung erster Lösungsschritte und Pilotprojekte.

Lange Standzeiten bei der Entladung. Nicht eingehaltene Liefertermine. Mangelnde Flexibilität bei der Annahme. Zu wenig freie Rampenplätze: Die Probleme in der Neumöbel-Logistik sind so vielfältig wie die Marktteilnehmer und bisher erhielt man immer eine andere Einschätzung der Dinge, je nachdem ob man mit einem Händler, einem Spediteur oder einem Hersteller darüber gesprochen hat. Die Idee des MÖBELMARKT, im Haus der Herforder Verbände der Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie (VHK) ein Nürnberger Gespräch zu diesem Brennpunkt auf der Prozesskette zu organisieren, ging auf eine Initiative der Verbände zurück, die Marktpartner für die Probleme an diesem Nadelöhr zu sensibilisieren. Als MÖBELMARKT und VHK zur Vorbereitung der Elefanten-Runde gemeinsam bei Handel, Industrie und Speditionen nach der Brisanz und den konkreten Problemen an der Rampe fragten, gab es viele schonungslose Antworten und kontroverse Meinungen. Diese dienten der hochkarätigen Runde als Basis, um rasch in die Diskussion von konkreten Lösungsansätzen einsteigen zu können. Es war mehr als erstaunlich, wie konstruktiv die Diskussion verlief und wie offen alle Beteiligten mit ihren Sorgen und Nöten, aber auch mit den Wünschen der Partner auf der anderen Seite des Tisches umgingen. Es war, als hätten alle nur darauf gewartet, miteinander zu reden und sich zuzuhören. Getrieben von dem existenziellen gemeinsamen Interesse, so reibungslos und kostengünstig wie möglich die Möbel an den Kunden zu bringen, gab es auch schnell einen großen gemeinsamen Nenner: Wir müssen gemeinsam etwas tun!

Gerald Schultheiß: Mit ihren Problemen an der Rampe ist die Branche aber keineswegs alleine, da der gesamte Einzelhandel – allen Branchen voran der Lebensmittelhandel – mit dieser Schnittstelle zwischen Industrie und Handel extrem kämpft. So fand am Ende der Vorbereitungen für unser heutiges Nürnberger Gespräch Ende Mai auch bei GS1 Germany der erste runde Tisch überhaupt zur Entschärfung des „Brennpunkts Rampe“ im deutschen Einzelhandel statt. Auch wenn wir immer wieder von Industrie und Handel auf dieses Nadelöhr angesprochen wurden, so hat dies aber ebenso wie die Ergebnisse unserer Branchen- Umfrage in Industrie, Handel und Speditionen nochmals unterstrichen, wie extrem wichtig es ist, dass alle Beteiligten endlich gemeinsam Lösungen erarbeiten.

Arnd Schwarze stellte die Ergebnisse der MÖBELMARKTUmfrage vor, die von den VHK unterstützt wurde. Im Folgenden Auszüge aus der darauf basierenden Diskussion der Probleme an der Rampe:

Schultheiß: Unsere Umfrage hat gezeigt, dass der „Brennpunkt Rampe“ durchaus eine gewisse Brisanz in sich birgt. Zu Beginn der Diskussion möchte ich in die Runde fragen, was für Sie in Ihren Unternehmen die jeweils größten Probleme an der Rampe sind bzw. ob Sie den durch unsere Umfrage herauskristallisierten Problemfeldern noch welche hinzuzufügen haben?

Matthias Hülsheger: Für uns aus Handelssicht sind die mangelnde Termintreue, individuelle Lieferanforderungen und lange Wartezeiten zentrale Punkte. Eine automatisierte Kommunikation halte ich außerdem für einen ganz wichtigen Punkt.

Manfred Feulner: Roller hat mit 105 Filialen das größte Filialnetz in Deutschland und damit eine besondere Problematik für die Logistik. Jedes unserer Häuser hat ein großes Lager, weil wir die Ware sofort verfügbar haben wollen. Wir gehen bereits neue Wege: Wir haben Zwischenläger, wo wir die Beschaffungslogistik schon bündeln. Das macht sehr viel Sinn! Und wir haben in über 50% unserer Märkte Nachtanlieferung, was besonders für die Küchenanlieferung ein großer Vorteil ist und Luft schafft für die Tagesanlieferung anderer Lieferanten.

Hermann Herkenhoff: Ich möchte noch hinzufügen, dass die schwere körperliche Arbeit gerade bei Schlafzimmermöbeln zu Problemen bei den Fahrern führt. Wir haben bei ihnen einen schnellen Wechsel zu verzeichnen: Sobald sie eine leichtere Stelle bekommen, sind sie weg! Zudem macht es uns der digitale Tacho, der jede Bewegung aufzeichnet, nicht einfacher! Jeder Rampenwechsel, jedes Vorsetzen in einer Schlange unterbricht die Ruhezeit und ist damit Arbeitszeit. Und die Arbeitszeit der Fahrer ist sehr, sehr begrenzt auf einen 10-Stunden-Tag. Daher ist sicher auch eine halbe Stunde Wartezeit schon in Prozenten zu messen. Die nachgelagerte Zeit ist auch wichtig: Wenn wir abgeladen haben, warten wir teilweise ein bis zwei Stunden auf die fertigen Unterlagen.

Andreas Ruf: Ein ganz entscheidender zusätzlicher Punkt ist, dass sich nicht nur die Kapazität, also die Anzahl der Rampen, in den letzten Jahren stark reduziert hat, sondern vor allem auch die Öffnungszeiten pro Tag und auch die Tage, an denen angeliefert werden kann. Der Freitag ist schon mehr Ausnahme als Regel.

Dierk Hochgesang: Wir müssen uns auch über die Perspektive der Logistik Gedanken machen. Wir befinden uns in einem Wettbewerb der deutschen Wirtschaft, die händeringend Fachkräfte sucht. Ich warne vor zu leichten Lösungen wie Nachtendladung. Denn was für den einen ein attraktives Thema ist, ist für den, der es umsetzen muss, alles andere als attraktiv. Bei Nachtarbeit muss auch die Frage bewältigt werden, wie das soziale Umfeld zu Hause damit umgeht. Deswegen muss so etwas sehr gut überlegt sein.

Rolf Ostermann: Die Wartezeit sehe ich auch als Hauptproblem für alle, die hier am Tisch sitzen. Und die nicht eingehaltene Avisierung oder die zu lange Entladezeit bringt natürlich den ganzen Tagesablauf durcheinander. Ein weiteres Problem ist die nicht sachgerechte Verladung von Packstücken. Sie ist rein frachtvolumenorientiert. Wir brauchen aber den Kleiderschrank mit seinen vier Kolli auf einer Palette und nicht vier Paletten mit jeweils einem Kollo. Dies führt bei uns beim Abladen zu erheblichen Umarbeiten und Zeitverzögerungen.

Guido Leimkühler: Die Punkte betreffen uns auch alle. Aber ich habe mir noch zwei Punkte aufgeschrieben, die für uns sehr, sehr wichtig sind. Das eine hat Herr Ruf schon angesprochen: Die unplanmäßigen Stand- und Wartezeiten. Das zweite ist die Zwei-Mann- Problematik – die trifft uns auch voll. Es ist sehr, sehr schwer, Lkw mit zwei Leuten zu finden, die immer aufeinander sitzen – viele wollen das einfach nicht machen. Der Handel fordert das, aber wir haben sehr große Schwierigkeiten, Speditionen zu finden, die das umsetzen. Da ist Diskussionsbedarf.

Berthold Göbel: Am meisten leiden die Fahrer, die an der Rampe stehen und warten. Sie sind die Nacht durchgefahren und werden dann irgendwo in die Ecke gestellt mit der Information: Warte mal zwei Stunden und irgendwann rufe ich Dich dann auf. Neben dem Kostendruck darf auch das Thema Mensch nicht vergessen werden – das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Zudem wünsche ich mir eine größere Flexibilität bei der Warenannahme und vielleicht Schnellabladetore. Denn es nützt nichts, wenn wir mit einem Schlafzimmer kommen und uns hinter Nobilia anstellen, die erst einmal einen ganzen LKW mit Küchen abladen. Wenn wir über Kommunikation reden, dann müssen wir auch wirklich miteinander reden können. Wir müssen die Erreichbarkeit der Warenannahme sicherstellen. Versuchen Sie doch einmal irgendwo anzurufen, wenn Sie ein Problem haben – Sie bekommen niemanden dran, keine Chance!

Schultheiß: Nicht planbare Warte- und Standzeiten sind aus Ihrer Sicht der wichtigste Aspekt, mit dem wir daher auch in die Diskussion von Lösungsansätzen einsteigen. Herr Dr. Lange, können Sie uns dieses Problem aus der Sicht und den Erfahrungen anderer Handelsbranchen beleuchten und uns zum Einstieg skizzieren, was es dort vielleicht diesbezüglich schon für Lösungsansätze gibt?

Dr. Volker Lange: In den meisten Branchen ist die Situation ähnlich gelagert, die Unterschiede haben meist nur mit Details zu tun. Aber was heißt nicht planbare Standzeiten? Das sind natürlich Dinge, die mit der gesamten Kette zu tun haben. Eine Verzögerung bei der ersten Entladestelle zieht sich durch die ganze Kette durch. Eine Studie von 2009 hat ergeben, wenn man die Durchlaufzeit an der Rampe um 20% steigern könnte – und das finde ich realistisch – dann würden die Gesamt- Transportkosten um 8% reduziert! Und dabei ist die mangelnde Kommunikation wirklich der entscheidende Punkt. Wenn ich irgendwo stehe und erst eine halbe Stunde warte, bis ich meine Ware abgeben kann, dann sind das einfach Punkte, von denen ich glaube: Da können Sie alle dran arbeiten, ohne dass es einem wirklich weh tut.

Ingrid Grube: Wir haben festgestellt, dass Wartezeiten meist personelle Ursachen haben. Wenn der Lagermeister die Spedition nicht mag, weil sie in der Vorwoche zu spät gekommen ist, dann lässt er sie halt einmal stehen – egal, ob sie vielleicht nur eine Arbeitsplatte hat. Es gibt Läger, wo es perfekt funktioniert, weil der zuständige Annehmer den Überblick hat: Er sieht, dass er vielleicht noch eine Rampe öffnen oder noch einen Mitarbeiter aus einem anderen Bereich holen muss, um das, was mehr kommt, abzupuffern. Das ist aber von Lager zu Lager unterschiedlich, auch in einer großen Gruppe funktioniert es in einem Lager und in dem anderen nicht. Grundsätzlich sprechen wir hier über Probleme, die letztendlich immer wieder durch andere Probleme entstehen. Der Handel hat die Rampenzeiten verkürzt, so dass der Freitag schon fast in der Regel kein Annahmetag mehr ist. Zudem werden die Annahmezeiten an den übrigen Tagen gekürzt, eventuell das Personal anders eingesetzt. Das kostet Geld! Letztlich ist es doch eine wirtschaftliche Geschichte für uns alle! Wir produzieren damit Kosten, ganz egal an welcher Stelle. Letztendlich kommt es darauf an, die Möbel so günstig wie möglich zu machen.

Ostermann: Was wären denn aus Sicht der Speditionen und der Industrie die wünschenswerten Öffnungszeiten für die Warenannahme?

Grube: Realistisch wäre zwischen 7 und 17 Uhr oder 7 und 16 Uhr – das wäre klasse – ganz klar an fünf Tagen.

Ostermann: Wir haben gerade verlängert auf 7 bis 18 Uhr an fünf Tagen.

Grube: Super! Aber es geht nicht nur um die, die heute hier sitzen – mit denen haben wir keine größeren Probleme. Sondern wir sprechen hier für die Branche.

Ostermann: Wenn wir hier ein Profil entwickeln wollen unter dem partnerschaftlichen Gedanken, dass der Handel günstige Preise von der Industrie erwartet und dafür in der Logistik mitwirken muss, dann hieße das 7 bis 17 mal 5 als Mindeststandard?

Grube: Ja. Aber auch die Avisierung ist wichtig. Wobei es natürlich eine Rolle spielt, wie ich avisiere. Avisiere ich mit Lieferschein, so dass die Etiketten und Papiere im Handel schon vorbereitet sind und die Kommissionen direkt bearbeitet werden können, wenn unser LKW kommt, oder muss der Handel sich erst einmal die Papiere vornehmen, alles eingeben und Etiketten drucken – und so lange steht der LKW auf dem Hof?

Klaus Hartmann: Natürlich brauche ich, Herr Ostermann, keine 24 Stunden Öffnungszeiten. Die Öffnungszeit, die Sie genannt haben, ist klasse. Nur Flexibilität bedeutet nicht, dass Sie bis 18 oder 20 Uhr öffnen. Flexibilität bedeutet, dass Sie bis 18 Uhr öffnen. Wenn ich aber ausnahmsweise um 17.30 Uhr anrufe – weil mein LKW dreimal vorher gewartet und zweimal im Stau gestanden hat und deswegen erst um 18.10 Uhr da ist und zwei Küchen bringt, die eine halbe Stunde Arbeit machen und er mit zwei Fahrern kommt, die alleine abladen – dann zu sagen: Komm, ich lasse einen Mitarbeiter eine halbe Stunde länger da, 10 Euro in die Kaffeekasse, abladen, fertig! Und dann eben nicht zu sagen: 18.00 Uhr ist Feierabend, 18.10 Uhr kommst Du nicht mehr dran – das ist für mich Flexibilität!

Ruf: Ganz wichtig ist auch: Wenn ein Anlieferer feststellt, dass er sich verspätet, muss er die richtigen Ansprechpartner haben, um möglichst früh reagieren zu können und seinen Empfänger darüber zu informieren. Dann kann die Rampe freigegeben und jemand vorgezogen werden und dafür kann ich vielleicht am nächsten Tag die Kapazität bekommen. Was meiner Ansicht nach zum Scheitern verurteilt sein wird, sind irgendwelche starren Systeme, bei denen man versucht, die Ankunftszeiten und Kapazitäten in irgendein starres Gerüst zu zwängen. Dazu gibt es viel zu viele Unwägbarkeiten, die nicht planbar sind. Wir müssen es schaffen, ein flexibles, atmendes System zu schaffen, das sich anpassen kann.

Arnd Schwarze: Ist dies dann ein wie auch immer geartetes EDV-System oder reden wir hier grundsätzlich von einer händischen Avisierung per Fax, EMail oder ähnlichem?

Ruf: Ich denke, wir haben in der Branche alle Erfahrungen mit softwaregestützter Kommunikation – und die hat noch einige Tücken. Ich würde daher eher sagen: Im Prinzip hat jeder seine Kommunikation dabei: Jeder Fahrer hat ein Handy. Wir haben mit einer großen Handelsgruppe eine Art Eskalationsstufe vereinbart. Wenn der Fahrer nicht drankommt, dann hat er die Telefonnummer vom Lagerleiter, wenn das nicht funktioniert, hat er die Nummer vom Hausleiter – also die Ansprechpartner, wo er zur Not eine kurzfristige, für alle gangbare Lösung finden kann. Denn alle Beteiligten haben ein gemeinsames Interesse: Der, der die Ware auf dem LKW hat, will sie loswerden und der, der sie noch nicht hat, will sie haben. Da ein flexibles System aufzubauen, wäre der richtige Weg.

Feulner: Als ich vor zehn Jahren aus dem Lebensmittelhandel in die Möbelbranche kam, war ich überrascht, wie steinzeitlich die Avisierung im Möbelhandel noch passierte. Die Lebensmittelbranche war damals schon viel, viel weiter. Wir würden uns wünschen, dass man das EDI fähig macht, dass man da wirklich eine ganz andere Art der Kommunikation wählt. Aber ich sehe auch das Problem, dass wir noch 9.000 Unternehmen mit nur einem Möbelhaus haben. Die haben natürlich dieses Interesse nicht so wie eine Kette wie Roller. Wenn ich eine elektronische Form der Kommunikation wähle, würde das auch den damit verbundenen Papierkrieg schnell auflösen. Dann geht es auch in der Abwicklung erheblich schneller, man bekommt einen ganz anderen Durchfluss. Was sicher noch ausbaufähig ist, sind unsere Zwischenläger, wo wir mit mehreren Lieferanten einen Piloten gemacht haben und jetzt schon über die Pilotierungsphase hinaus sind. Hier wird in ein Zwischenlager angeliefert, von wo aus wir dann die Feinsteuerung auf 30 Märkte machen. Da bekommen wir enorm positive Effekte hin, auch und insbesondere für die Spediteure. Damit entlasten wir auch die Rampenkontakte.

Schultheiß: Wäre denn umgekehrt auch eine größere Mengenbündelung auf Industrieseite eine Lösung?

Göbel: Bringt uns das den großen Vorteil? Es ist sicher teuer, wenn wir mit einer relativ kleinen Sendung zum Kunden fahren. Aber wenn ich so eine Mengenbündelung anstrebe, muss ich die Ware erst irgendwo hinbringen, von wo aus sie dann weiter verbracht wird. Derjenige, der die Ware dann verfrachtet und anliefert, steht dann aber auch wieder bei den Kunden. Ich bin nicht ganz sicher, ob das Sinn ergibt – auch von den Kosten her. Aber eigentlich tun wir das in einigen Bereichen schon, weil wir auch Speditionen nutzen. In deren Lager findet schon eine Mengenbündelung statt.

Grube: Wir machen das nur – und unsere Erfahrungen sind natürlich bestens! Letztendlich ist das eine Frage der Menge, der Menge in einem Gebiet oder zu einem Kunden pro Woche. Wenn die Sendungsgrößen eines Herstellers in ein bestimmtes Gebiet zu klein sind, dann ist die Über-Lager- Annahme mit Bündelung zum Handel schneller und günstiger. Und genau das tun wir.

Ruf: Ich bin ein großer Freund von Mengenbündelungen, da wir schon einige Male die Situation beobachtet haben, dass mehrere Hersteller sozusagen hintereinander auf der Autobahn her fahren, im gleichen Stau stehen und dann wieder in der gleichen Schlange vor der Rampe warten, um nacheinander abzuladen. Das frisst alles Rampen-Kapazitäten. Aber wie Frau Grube sagt – das ist natürlich mengenabhängig. Nobilia hat genug Menge und muss nicht über Bündelung nachdenken. Aber es gibt viele andere, da lohnt sich das tatsächlich.

Grube: Hinzu kommt, dass man durch Bündelung größere Sendungsgrößen pro Entladestelle erzielt. Und dann kann ich schon eher mal eine Stunde Wartezeit vertragen, als wenn ich zwei oder drei Kubikmeter habe und an jeder Entladestelle so lange warte.

Feulner: Wir haben da schon ein kleines Pflänzchen. Diese Bündelung macht sehr viel Sinn, bei der Mengen für 20 oder 30 Märkte angeliefert werden, über Cross-Docking auch andere Dinge ergänzt werden und das dann gebündelt an die einzelnen Märkte geht. Anstatt als Hersteller 20 Märkte mit Kleinstmengen abklappern zu müssen – das ist doch Unsinn.

Ruf: Wenn jetzt dieser Verteiler sich öffnen würde auch für Häuser, die neben Roller Waren in einem ähnlichen Segment anbieten, würden sich mit Sicherheit die Stückzahlen noch weiter erhöhen...

Feulner: Damit hätte ich auch kein Problem. Wir haben an vielen Stellen praktisch gleiche Produkte. Commodities haben wir, die hat Hardeck und die haben auch andere. Wir gehören sogar dem gleichen Verband an, insofern ist das doch gar kein Problem, wenn das dort einer managt.

Schultheiß: Wir sind eben vom Zeitfenstermanagement, das auch beim Rampen-Roundtable bei GS1 als eines der Hauptprobleme identifiziert wurde, etwas abgekommen: Herr Dr. Lange, was können internetbasierte Systeme wie Mercareon denn nun wirklich leisten – sind sie zu unflexibel und müssten daher ergänzt werden?

Lange: Gute Frage. Zunächst ist es eine Software, die Zeitfenster vorgibt und man kann diese buchen. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Das Problem – und das kann ich nur unterstreichen – entsteht, sobald diese Systeme zu starr werden – und sie sind oft starr. Denn von den tatsächlichen Avisierungen bleibt im Tagesverlauf nicht wirklich viel über. Daher ist diese Zeitfenstersteuerung durchaus eine vernünftige Sache, wenn sie mit einer gewissen Flexibilität verbunden ist. Ein Beispiel, das mich wirklich begeistert, ist die Brauerei Krombacher. Sie gibt online in Echtzeit ihre Rampenbelegungen im Internet bekannt. Da wird auch angezeigt, was avisiert wurde. Aber wenn Sie keine Rampen haben, dann nützt das natürlich alles nichts.

Ruf: Zeitfenster sind für mich – ehrlich gesagt – eine systemische Katastrophe. Wir haben eine Untersuchung durchgeführt, wie sich die Zeiten von Ankunft bis Abfahrt aufteilen. Da waren 42,6% der Zeit unproduktiv, lediglich in 57% wurde tatsächlich abgeladen. Es gab gar nicht einmal unglaubliche Wartezeiten. Nur die Gefahr, die Zeitfenster zu verpassen, zwingt die Hersteller dazu, lieber zwei Stunden vorher da zu sein. Und das gibt Kosten, die meines Erachtens nicht mehr kalkulierbar sind. Diese Systeme funktionieren nicht!

Lange: Wenn sie starr sind...

Hartmann: Ich würde das unterstützen, was Herr Ruf sagt: Wir müssen dahin kommen, dass wir ehrlich sagen, was wir können und was nicht. Ich glaube, eine Avisierung auf den Tag genau ist selbstverständlich. Wenn aber einer kommt und sagt: Avisiere mir Donnerstag Nachmittag zwischen 14 und 14.30 Uhr bei einem Kunden mit einer Anfahrt von 1.000 km – dann muss ich auch so offen sein und sagen: Das kann ich nicht! Das zweite Problem ist, dass wir unsere Touren fertigungsorientiert planen – und das vier oder fünf Tage vor Anlieferung. Das heißt, letztlich kann ich erst fünf Tage vorher überhaupt avisieren. Wenn ich dazu aber fünf Tage vorher in das schicke Internetportal einer Firma gehe, dann ist Herr Göbel schon da gewesen, dann ist Frau Grube schon da gewesen und dann sind alle anderen schon da gewesen – dann gibt es keine freien Zeitfenster mehr. Warum machen wir das überhaupt? Weil wir Herrn Ostermann, Herrn Feulner und Herrn Hülsheger sagen: Sie können den Auftrag bis fünf Tage vorher komplett ändern – als Wettbewerbsvorteil. Weil wir diese Flexibilität haben und sie auch Ihrem Kunden bieten wollen. Da schneide ich mir aber selber ins eigene Fleisch, weil das andersherum bedeutet, dass ich erst fünf Tage vorher avisieren kann – und dann alle Zeitfenster belegt sind.

Ruf: Kommen wir noch einmal auf die Kosten zu sprechen: Für mich ist einer der teuersten Beteiligten in der ganzen Kette der, der nur nebendran sitzt. Beim 2-Mann-Handling sitzt einer 80% seiner Zeit neben dem Fahrer und schaut nur aus dem Fenster. Muss das sein? Teilweise ist es sinnvoll, bei der Entladung zu zweit zu sein. Aber muss der den ganzen Weg nebendran sitzen? Denn Geld kostet er trotzdem.

Lange: Könnte es günstiger sein, im Handelslager einen zusätzlichen Mitarbeiter einzustellen, der dann in der ganzen Kette eine Menge spart? Denn es kann wirklich sein, dass ich an der Stelle zwar mehr Kosten habe, aber die gesamte Kette damit günstiger ist. Und vielleicht ist es besser, die Handels-Lager teilweise mit Personal aufzustocken, wenn man die gesamte Abwicklung dadurch deutlich verkürzt.

Ostermann: Wir haben Fälle, dass Lieferanten über Zeitarbeitsfirmen stundenweise Leute bei uns ins Lager schicken, als zweiten Mann.

Hartmann: Wenn die Hilfskraft immer dieselbe ist und nicht sporadisch angefordert wird – dann habe ich nämlich immer einen Neuen. Dementsprechend müsste er eigentlich vom Handel gestellt werden, damit man sicher sein kann, dass er beispielsweise fünf Lieferanten hat, die ihn tragen, anstatt dass der Lieferant jemanden bringt, der zwar der zweite Mann ist, aber genau das Gegenteil bewirkt: nämlich dass man sich gegenseitig behindert, weil er sich nicht auskennt. Göbel: Aber dann würde eigentlich dieser Mann der Engpass werden. Wenn dann Herr Herkenhoff und Frau Grube gleichzeitig ankommen und nur ein Mann ist zur Verfügung...

Ostermann: Dann bräuchte man also einen Entladehelfer pro Tor.

Schultheiß: Die entscheidende Frage ist, wie wir jetzt weiter vorgehen – wie wir es schaffen, dass die Ergebnisse unserer extrem offenen und konstruktiven Diskussion von heute nicht verhallen, sondern dass es uns gelingt, möglichst schnell und effizient einen Austausch, einen Prozess zu etablieren, damit alle Beteiligten an der Lösung dieser Probleme dranbleiben und daran weiter arbeiten.

Ostermann: Einzelgespräche haben eigentlich wenig Sinn, weil ich dann immer auch nur diesen Einzelfall löse. Deswegen kann das eigentlich nur in der Gruppe passieren. Da ist vielleicht auch Herr Ruf gefragt, so etwas zu initiieren. Und ich würde mir dabei wünschen, dass dann auch ein paar Teilnehmer dabei sind, bei denen wir Probleme haben.

Ruf: Ich denke, das ist möglich. Wir unterhalten eine ähnliche Gruppe und haben es geschafft, uns jedes Mal an sogenannten „Problemhäusern“ zu treffen und diese spezifischen Probleme anzusprechen. Dabei müssen die Informationen aber von denen kommen, die tagtäglich damit umgehen. Vielleicht müssen wir aber auch noch an einem Punkt ansetzen, der ganz oben auf der Liste steht, nämlich dem „miteinander Reden“. Wir müssen auf der jeweils anderen Seite Verständnis wecken. Es ist sehr wichtig, dass wir es im Nachgang unserer heutigen Runde schaffen, dieses Thema stärker in die Diskussion zu bringen und damit die Bereitschaft zu schaffen, sich mit Die Top 10-Lösungsansätze aus Sicht der Teilnehmer 1. Miteinander reden 2. Mehr Flexibilität an der Rampe 3. EDV-gestützte Kommunikation 4. Annahmezeiten verlängern 5. Erreichbarkeit im Lager erhöhen 6. Rampenkapazität erhöhen 7. Gemeinsame Feinverteilung 8. Liefervereinbarungen einhalten 9. Mengenbündelung ab Hersteller 10. Entladehelfer vorhalten diesen Problemen auch zu befassen.

Schultheiß: Diesen Ball nehmen wir als Fachzeitschrift auf. Der große Bericht über unsere heutige Runde in unserer September-Ausgabe sowie ein Video von MÖBELMARKT.TV werden im ersten Step flächendeckend dazu beitragen, den Markt für dieses Thema zu sensibilisieren. Darüber hinaus werden wir den heute angestoßenen Prozess gerne langfristig begleiten und regelmäßig über Fortschritte, Projekte und Ergebnisse berichten.

Ostermann: Wir haben mit den Lösungsansätzen noch keine Lösungen, da müssen wir noch einen Schritt weiterkommen, damit wir das auch beispielsweise mit unserem Verband reproduzieren können. Am Ende des Prozesses müsste ein Idealfall dokumentiert sein: Wie könnte es laufen und welchen Vorteil haben beide Seiten davon? Denn nur dann, wenn jeder der Beteiligten sieht, wo er sich selbst verbessern kann, wird die ganze Sache angestoßen.

Schwarze: Gibt es die Möglichkeit, dass Sie unter den Mitgliedern Ihres Verbandes eine zusätzliche Abfrage starten, wie lang die Annahmezeiten sind, wie viele Tore es gibt, wie viele Lagerarbeiter für die Annahme da sind – damit wir eine bessere Übersicht bekommen, weg von Best-Practice-Beispielen hin zur täglichen Realität?

Ostermann: Ich denke, dass wir von der Begros einen erweiterten Fragebogen gerne bearbeiten. Und bei Union ließe sich das, Herr Feulner, sicher auch realisieren. Atlas bekämen wir sicher auch ins Boot. Aber ich würde auch gerne noch wissen: „Der Handel schiebt Aufgaben ab“ war zu 60 bis 80% von Industrie und Speditionen zu hören – was sind das denn für Aufgaben, die wir abschieben? Denn das ist uns vielleicht gar nicht bewusst, weil wir diese Dinge als selbstverständlich empfinden.

Hartmann: Diese Frage, Herr Ostermann, kann ich Ihnen direkt beantworten: Unsere Fahrer müssen tendenziell immer mehr Aufgaben im Lager übernehmen, die früher von Mitarbeitern des Handels erledigt wurden. Ein Beispiel: Sie laden nicht nur ab, wie sie es immer getan haben. Dann liegt dort ein Stapel mit unseren Lieferscheinen, ein Kolletten-Schein und ein Edding. Jetzt müssen sie – wenn sie eine Kollette bepackt haben – den Lieferschein nehmen, mit einem Klebestreifen ankleben, mit dem Edding noch eine Nummer dran schreiben, von einer anderen Rolle noch einen Barcode nehmen, diesen ebenfalls an die Kollette kleben und mit einem Scanner einscannen und dann noch an einem Terminal „Enter“ drücken. Also die Aufgaben eines Vereinnahmungsprozesses.

Ostermann: Also selbst kassieren wie bei Ikea...

Hartmann: So in der Art. Da machen unsere Fahrer, was vor fünf oder zehn Jahren Ihre Leute gemacht haben.

Ostermann: Genau das ist der Punkt: Solche Dinge müssen wir namhaft machen, dann können wir auch für Abstellung sorgen bzw. bei uns diskutieren: Ist das der Standard, den wir wollen, und können wir es auch anders machen?

Hochgesang: Man muss auch sehen, dass diese zusätzlichen Arbeiten auch Zeit kosten. Zeit, in der die Rampe für andere Lieferanten blockiert ist. Dadurch wird die Kapazität zusätzlich reduziert.

Schultheiß: Wer von den anwesenden Händlern wäre denn spontan bereit, ein Pilotprojekt mitzutragen, um die Prozesse möglichst zu optimieren, damit wir dann die Ergebnisse und gefundenen Lösungen kommunizieren und vervielfältigen können?

Ostermann: Wir sind bereit – gehen wir es an und versuchen es!

Feulner: Mein Vorschlag wäre, über Union herauszuarbeiten, wer von unserem Verband an so einem Projekt mitarbeiten würde. Ich denke, da gehört es auch hin. Manche Dinge könnte man – da wir als Roller auch spezifische Fragestellungen haben – als Projekt definieren. Das würde ich dann gerne übernehmen. Vor allem, wenn es professionell begleitet wird – und wir haben hier Profis am Tisch. Die IT-Themen sollte man nicht isoliert betrachten. Ich denke, da ist auch die Verbandszugehörigkeit zweitrangig. Da sollte man für die Branche Branchenlösungen schaffen. Denn gerade was die EDV anbelangt, sind wir wirklich weit weg von dem, was State of the Art ist oder was wir haben müssten.

Ruf: Der Küchenbereich hat vorgemacht, wie man sich auf einen Standard einigt. Daher hat vor eineinhalb Jahren der Polsterbereich gesagt: Wir entwickeln auch einen eigenen Standard und man steht kurz vor einem entsprechenden Format. Und auch beim neuen Wohnmöbelverband war es ein großer Wunsch der Mitglieder, ein eigenes Standardformat zu entwickeln – da ist der Startschuss gefallen.

Schultheiß: Herr Ruf, könnten Sie sich vorstellen, dieses Thema vom Verband aus zu übernehmen?

Ruf: Sehr gerne sogar!

Schultheiß: Meine Dame, meine Herren, herzlichen Dank für die ausgesprochen konstruktive Diskussion und unseren Beschluss der durchaus vielversprechenden nächsten Schritte – lassen Sie uns gemeinsam an diesem sehr wichtigen Thema dranbleiben!

A. Schwarze, G. Schultheiß, B. Fluhrer

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