VHK Herford
Gast-Beitrag: Regelungen zu Vertragsstrafen auf dem Prüfstand

Der folgende Artikel ist ein MÖBELMARKT-Gast-Beitrag. Form, Stil und Inhalt liegen allein in der Verantwortung unseres Gast-Autors Corinna Kronsbein. Die hier veröffentlichte Meinung kann daher von der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers abweichen.

Die Branchen-Fachverbände der Möbelindustrie mit Sitz Herford zu Praxis und Rechtsmäßigkeit von Konventionalstrafen.

Nach der Alno-Insolvenz im letzten Jahr verzeichneten viele Küchenhersteller massive Auftrags-Zuwächse, die daraus resultierten, dass sich die Alno-Kapazitäten auf andere Hersteller verteilten. Dieses erhebliche AuftragsWachstum führte wiederum dazu, dass die beauftragten Hersteller befürchten mussten, in Lieferverzug zu geraten – schlicht, weil sie die Auftragsflut nicht in der (meist früher) vertraglich vereinbarten Frist abarbeiten konnten.

Nach den Einkaufsbedingungen des Handels drohen in solchen Fällen Konventionalstrafen, für die möglicherweise Rückstellungen in den Bilanzen zu bilden sind.
Die Küchenmöbel-Hersteller sahen sich also einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt, sodass die Verbände der Holz- und Möbelindustrie Nordrhein-Westfalen e. V., Herford, ein Rechtsgutachten in Auftrag gaben, um die oftmals sehr drastischen Regelungen in den Einkaufsbedingungen großer deutscher Verbände und Händler überprüfen zu lassen.
Mit der Prüfung beauftragt wurde die überörtliche Großkanzlei Brandi Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Sitz Bielefeld. Deren Handelsrechts-Experte Dr. Bernhard König stellte auf der Mitgliederversammlung des Verbands der Deutschen Küchenmöbel-industrie e. V. im November 2017 dieses Rechtsgutachten erstmals vor.
Das Ergebnis in wenigen Worten zusammengefasst: Die Forderungen des Handels nach Konventionalstrafen, pauschaliertem Schadensersatz oder Kürzung der Einkaufspreise sind rechtswidrig. Zwar können Lieferverzug oder andere vertragliche Pflichtverletzungen Vertragsstrafen nach sich ziehen – allerdings nur, wenn sie wirksam vereinbart worden sind.
Die Vertragsstrafen-Regelungen des Handels finden sich überwiegend in sogenannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), für deren Wirksamkeit jedoch strenge Maßstäbe gelten.
Vor allem in Einkaufsbedingungen findet man typischerweise Klauseln, die die Durchsetzung von Schadensersatz-Ansprüchen erleichtern sollen, wenn der Lieferant seine Vertragspflichten nicht erfüllt hat. Häufig anzutreffen sind Klauseln,

  • nach denen alle Lieferzeiten garantiert oder alle Liefertermine Fixtermine sind,
  • in denen bei Lieferverzug ein pauschalierter Schadensersatz vorgesehen ist oder
  • die bei Nichteinhaltung von Lieferfristen Vertragsstrafen vorsehen.

Es kommt also auf die Frage an, ob der Hersteller mit dem Händler eine individuelle Vereinbarung über den Inhalt der Vertragsstrafen-Klausel getroffen hat oder ob der Händler einen formularmäßig vorformulierten Text verwendet, den er dem Hersteller zur Unterschrift vorlegt, ohne dass jener seine Vorstellungen einbringen kann.
Haben Hersteller und Händler eine Individual-Vereinbarung getroffen, gibt ihnen der Gesetzgeber einen deutlich größeren Spielraum. Sie dürfen hier auch vom Gesetz abweichende Vereinbarungen treffen.
Dass zwischen den Einkaufsverbänden des Möbelhandels und ihren Lieferanten Individual-Vereinbarungen getroffen wurden, dürfte eher die Ausnahme sein. Deutlich häufiger anzufinden sind im Handelsverkehr nämlich AGB und Formularverträge, für die engere gesetzliche Grenzen gelten.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, welcher konkrete Schaden dem Möbelhandel überhaupt entstanden ist, wenn der Hersteller verspätet liefert. Wenn überhaupt ein finanzieller Schaden entstanden ist – die bloße Verärgerung des Endkunden über die zu spät gelieferte Küche o. Ä. reicht hier nicht aus –, so dürfte dieser ausgesprochen gering sein und wäre im Übrigen vom Handel nachzuweisen.
Das Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass

  • in der überwiegenden Zahl der Fälle die Vertragsstrafen-Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Handels rechtswidrig sind,
  • dementsprechend keine Ansprüche des Handels auf Zahlung von Vertragsstrafen bestehen und
  • für unwirksame Vertragsstrafezusagen deshalb auch keine Rückstellungen gebildet werden müssen.

Zwischenzeitlich hat sich auch die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V. („Wettbewerbszentrale“), Bad Homburg vor der Höhe, mit den Vertragsstrafen-Regelungen im Möbelhandel beschäftigt. Die Wettbewerbszentrale ist die bundesweit größte und einflussreichste sowie grenzüberschreitend tätige Selbstkontroll-Institution zur Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb.
Es ist ihr Auftrag, zur Förderung eines lauteren Geschäftsverkehrs und eines fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs beizutragen. Hierfür ist sie verbandsklagebefugt. Sie ist kein Lobby- oder Interessenverband, sondern handelt neutral und unabhängig.
Die Wettbewerbszentrale hat zwischenzeitlich Abmahnungen gegen große deutsche Einkaufsverbände ausgesprochen. Eine Abmahnung ist die Aufforderung an den unlauter Handelnden, das wettbewerbswidrige Verhalten in Zukunft zu unterlassen.
In der Regel enthalten Abmahnungen u. a. die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungs-Erklärung, die mit einem Vertragsstrafe-Versprechen für zukünftige Verstöße verbunden ist. Darüber hinaus wird für die Abgabe der Unterlassungserklärung eine Frist gesetzt, nach deren Ablauf gerichtliche Schritte angedroht werden.
Der „Ball“ bzw. die Aufforderung zum Handeln liegt jetzt auf Seiten des Möbelhandels respektive der abgemahnten Einkaufsverbände bzw. Möbelhäuser. In Abhängigkeit von deren einzelner Positionierung wird die Wettbewerbszentrale eine individuelle Klärung gerichtlich weiter vorantreiben oder auch nicht.
Für die Industrie- bzw. Lieferanten-Seite ist ausschlaggebend, dass sie rechtliche Klarheit bekommen wird und in Zukunft hoffentlich von rechtswidrigen Forderungen verschont bleibt.


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