Wie die Digitalisierung auf den Erfolg von Geschäftsmodellen wirkt

In dieser Gastbeitrags-Reihe für unser Forum Job & Erfolg beleuchtet Dr. Alexander Hirschbold von Medienpark die Bedeutung und Konsequenzen von Internet und Ecommerce für den stationären Möbelhandel. Zum Auftakt steht die Wirkung der Digitalisierung auf den Erfolg von Geschäftsmodellen im Fokus. In den kommenden  Schwerpunkt-Ausgaben zum erfolgreichen Multichanneling thematisiert Hirschbold die Treiber der Veränderung, Markt und Wettbewerb sowie Kunde und Technologie, und skizziert zielführende Strategien für Quick Wins und digitale Geschäftsmodelle.

In diesem ersten Teil meiner Gastbeitrags-Reihe gebe ich einen umfassenden Überblick über den Einfluss von Veränderungen auf die Werthaltigkeit von Geschäftsmodellen (Abbildung 1). In den Bereichen Markt, Wettbewerb, Kunde und Technologie finden seit einigen Jahren wesentliche Entwicklungen statt, die den Erfolg und Marktwert von Handels-Unternehmen nachhaltig positiv wie negativ beeinflussen. Ursache und Triebfeder dieser Veränderungen ist die steigende Digitalisierung unserer Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund beleuchte ich in den nächsten Schwerpunkt-Ausgaben „Multichannel“ die vier genannten Treiber. Denn dies unterstreicht am besten, warum das Internet für den traditonellen stationären Möbelhandel ein sehr ernst zu nehmender Einflussfaktor ist und wie es ihn nachhaltig verändert.

Diese Erkenntnis ist zunächst die notwendige Grundlage für alle weiteren Schritte in eine erfolgreiche Zukunft. Im Folgenden stelle ich dann kurzfristige Maßnahmen vor, die den bestehenden Unternehmens-Ansatz optimieren. Zuletzt wagen wir einen Blick in die Königs-Disziplin: das digitale Geschäftsmodell. 

Dieses besteht aus fünf wesentlichen Elementen: einer klaren Strategie, hohem Kundennutzen, überlegenen Prozessen, nachhaltiger Rentabilität sowie Teamplay und Erfolgswillen.

Letztlich wird derjenige Einzelhändler erfolgreich sein, der in der Lage ist, an diesen Idealzustand am besten und am schnellsten heranzukommen. Dies erfordert die Einsicht und Überzeugung der gesamten Mannschaft: angefangen vom Chef bis hin zum Lagermitarbeiter. Und genau darin liegt die eigentliche Herausforderung.

Ende der 90er Jahre war das Internet im Möbelhandel erstmals ein Thema. Damals wurde berichtetet, dass neuere Verkaufsformen, wie etwa das Internet, nur zögernd als Absatzinstrumente entdeckt würden. Im April 2001 ergab eine Studie der BBE, dass 55% der Möbelhändler überzeugt seien, dass der Verkauf von Möbeln über das Internet nicht im Massenmarkt funktionieren, sondern sich nur in bestimmten Nischen als feste Größe durchsetzen wird. Diese Meinung hielt sich erstaunlich lange.

Tatsächlich denken nicht wenige Möbelhändler auch heute noch so und schenken dem Internet dementsprechend wenig Aufmerksamkeit. Wenig professionelle Webseiten sind die Folge. „Multichannel“ ist oft ein Fremdwort. Und schließlich zeigt Home24 ja jedes Quartal, dass der Handel von Möbeln übers Internet nicht funktioniert. Aber tatsächlich ist die Welt nicht so einfach. 

Wie Abbildung 2 verdeutlicht, ist das Internet ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft geworden, nimmt einen immer größer werdenden Stellenwert ein und beeinflusst unser Kaufverhalten mittlerweile erheblich.

Wenige Händler begannen bereits vor zehn Jahren, im Internet mehr Chance als Risiko zu sehen und sind jetzt anderen auf der Lernkurve viele Kilometer voraus. Diese einzuholen erfordert nicht nur große finanzielle Anstrengungen, sondern – viel wichtiger – eine wohlüberlegte Strategie, ein passendes Konzept und eine  konsequente Umsetzung.

Dadurch, dass der Möbelhandel in Deutschland eher mittelständisch geprägt ist und dementsprechend wenig Zahlen öffentlich zugänglich sind – den elektronischen Bundesanzeiger einmal außer Acht gelassen – lohnt sich der Blick auf börsennotierte Unternehmen. 

Die Börsengänge von Steinhoff International Holdings (ISIN NL0011375019) und Maisons du Monde (ISIN FR0013153541) sind meines Erachtens nach noch zu frisch, um daraus verlässliche Erkenntnisse und Rückschlüsse auf die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle abzuleiten. Ein klareres Bild ergibt sich, wenn wir Einzelhändler aus anderen Branchen betrachten.

Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Aktienkurse von „Gewinnern“ und „Verlierern“ im Einzelhandel über die letzten drei Jahre hinweg. Hier sieht man deutlich, dass klassische Einzelhändler wie die Metro AG (ISIN DE0007257503) oder Tesco PLC (ISIN GB0008847096) an Unternehmenswert verloren haben, da sie mit ihren Geschäftsmodellen ins Hintertreffen geraten sind. 

Insbesondere die Metro steht vor zwei wesentlichen Herausforderungen: Zum einen muss sie eine passende Antwort auf die wachsende digitale Konkurrenz im Elektroniksegment finden, zum anderen werden tragfähige digitale Lösungen im Food-Segment erwartet. Viele werfen der Metro vor, das Internet lange Zeit verschlafen zu haben.

Im Gegensatz dazu entwickelt sich die amerikanische Baumarkt-Kette Home Depot (ISIN US4370761029) sehr erfolgreich. Ihr Börsenwert hat sich seit 2014 verdoppelt. Ein Blick auf die Webseite verrät sehr schnell: Hier wird Multichannel großgeschrieben. Zusätzlich verdeutlichen die unter den Investor Relations veröffentlichten Präsentationen, dass das Internet ein integraler Bestandteil der Unternehmens-Strategie ist. Bereits 2006 begannen die Amerikaner ihr Geschäftsmodell digitaler auszurichten. 

Die  Abbildung 4 zeigt den Internet-Auftritt von Home Depot.

Vorzeige-Athlet in der Disziplin nachhaltige Firmenwert-Entwicklung von Einzelhändlern bleibt Amazon (ISIN US0231351067). In den letzten drei Jahren verdreifachte sich der Börsenwert des Pure Players. Jeff Bezos, Gründer und CEO, verfolgt nach wie vor das Ziel, das kundenorientierteste Unternehmen der Welt zu sein. Seine sieben Kernbotschaften an Firmenlenker lauten: 

•    Höre nicht nur auf Deine Kunden, sondern verstehe sie auch.

•    Diene den Kundenbedürfnissen.

•    Der leere Stuhl (auf dem der imaginäre Kunde sitzt), ist die wichtigste Person im Besprechungsraum.

•    Gebe Dich nicht mit 99% zufrieden.

•    Respektiere den modernen Kunden.

•    Strebe danach, ein kundenzentriertes Unternehmen aufzubauen.

•    Habe keine Angst, Dich zu entschuldigen.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein Engagement in der digitalen Welt automatisch mit einer positiven Wertentwicklung goutiert wird. 

Bestes Beispiel hierfür ist die BörsenPerformance von Rocket Internet (ISIN DE000A12UKK6), eine auf Start-ups spezialisierte Beteiligungsgesellschaft mit Firmen wie Westwing oder Home24 im Portfolio. Die Aktie ging am 2. Oktober 2014 mit 37 Euro an den Start und stieg Ende November 2014 auf das All-Time-High von 56,60 Euro. Seitdem befindet sich die Aktie im Rückwärtsgang und notierte im Juli 2016 bei weniger als 18 Euro. Dies bedeutet einen neuen historischen Tiefstkurs. Einige Investoren vermissen eine überzeugende Strategie sowie einen klaren Weg in Richtung Profitabilität.

Betrachtet man diese verschiedenen Unternehmenswert-Entwicklungen, so liegt der Schluss nahe, dass diejenigen Firmen positiv bewertet werden, die sich auch im Internet professionell aufgestellt haben. Vergessen wir nicht, der Börsenwert bildet auch immer ein gutes Stück Zukunft ab.

In diesen Zusammenhang passt auch der derzeitige Investoren-Run auf Matratzen-Start-ups, die fast wie Pilze aus dem Boden schießen: Casper, Bruno, Eve Mattress, Emma-Matratze, Muun, Sleepz, Grafenfels, Tuft & Needle oder auch Leesa versuchen, mit sehr ähnlichen Geschäftsmodellen den Matratzenmarkt per Internet aufzurollen und den angestammten Matratzen-Fachmärkten und Möbelhändlern die Butter vom Brot zu nehmen: meist mit einer „One-size-fits-all“-Eigenmarken-Wundermatratze, transportkostenoptimiert vakuumverpackt, kostenlosem Versand und Rückversand bei 30 bis 100 Tagen kostenlosem Testen.

Angefangen hat es 2014 mit dem Start-up namens Casper aus New York, das mittlerweile mit über einer halben Milliarde US-Dollar bewertet wird und stattliche 70 Mio. US-Dollar Venture Capital einsammeln konnte. 2015 habe man in den USA 100 Mio. US-Dollar Umsatz erzielt. Der Markteintritt nach Deutschland ist in vollem Gange.

Der deutsche Matratzenmarkt ist in etwa 1,5 Mrd. Euro groß. Davon laufen rund 10% über das Internet. Somit sprechen wir über 150 Mio. Euro Online-Markt. Nehmen wir an, dieser Anteil beträgt in fünf Jahren 20%, so lägen wir bei rund 300 Mio. Euro. Wie viel Platz hier nun tatsächlich für neue, reine Matratzen-Pure-Player ist, muss sich erst zeigen. Vor allem dann, wenn die stationären Möbelhändler ihre Online-„Hausaufgaben“ machen.

Wie kommt es nun zu derart positiven und negativen Wertveränderungen? Ist es Zufall oder liegt es an konsequent weiterentwickelten Geschäftsmodellen in Richtung Multichannel? Haben Firmen wie Home Depot oder Amazon früher oder besser als andere verstanden, wie sich Märkte, Wettbewerbslandschaft, Kundenbedürfnisse und Technologien verändern und daraus die richtigen Schlüsse für die Unternehmens-Strategie gezogen?

Diese und weitere Fragen werde ich in den nächsten Beiträgen dieser Gastautor-Reihe beleuchten.

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