„Wir müssen alle Hersteller gewinnen“

MM: Warum ist die Entsorgung von Verpackungsmaterialien so wichtig für die Industrie?

Gerhard Richter: Seit der Verabschiedung der Verpackungsverordnung durch die Bundesregierung 1991 ist jeder – egal ob Deutscher oder Ausländer – verpflichtet, die von ihm in den Verkehr gebrachte Verpackung zurückzunehmen. Und in seiner mittlerweile siebten Novelle ist das Gesetz sehr eng geschnürt. Verkaufsverpackungen wirft der Verbraucher in den Gelben Sack, da werden nur Wertströme gemessen. Anders bei Transportverpackungen: Da sind wir in der deutschen Möbelbranche Vorreiter und bieten ein geschlossenes System der Entsorgung an, das die Kosten im Vergleich zu Verkaufsverpackungen erheblich reduziert.

MM: Wie steht es um die Rahmenbedingungen und die Beteiligung von Herstellern und Handel?

Richter: Der VDM hat bereits 1993 den Fachbeirat für die Entsorgung von Verpackungsmaterialien gegründet, zunächst unter der Leitung von Hülsta-Geschäftsführer Dr. Bernd Göbel. Im Fachbeirat sind die Hersteller, aber auch der Handel, insbesondere durch den BVDM und seinen Hauptgeschäftsführer Thomas Grothkopp, vertreten. Wir wählen gemeinsam den Systemanbieter für die Entsorgung aus  – in Deutschland gibt es mindestens neun seriöse Anbieter – und überwachen seine Arbeit. Derzeit arbeiten wir mit dem Recycling-Unternehmen Interseroh zusammen, das zur Alba-Gruppe gehört. Der Handel ist von den Kosten befreit, Hersteller zahlen die Lizenzgebühr, je nach Material zwischen acht und 200 Euro pro Tonne. Wir gewährleisten, dass an mehr als 3.000 Abladestationen des Handels die Transportverpackungen wieder abgeholt werden: mehr als 40.000 Tonnen an Pappe, Folie, Kunststoffkanten und Holz. Damit haben wir einen geschlossenen Kreislauf geschaffen. Das führt dazu, dass die Entsorgung von Transportverpackungen nur etwa 25% der Lizenzgebühren vergleichbarer Verkaufsverpackungen beträgt. 

MM: Wie hoch ist die Akzeptanz in der Branche? Eine Verpflichtung, sich an diesem System zu beteiligen, gibt es ja nicht …

Richter: Wir haben heute 600 Teilnehmer am System, 380 deutsche und 220 ausländische Hersteller. Aber wir wissen, es gibt eine nicht unerhebliche Dunkelziffer, die nicht oder teuer als Verkaufsverpackungen melden. Wir appellieren an diese Hersteller, sich uns anzuschließen. Wir hatten schon Mitglieder verloren, denen nicht klar war, dass sie mit dem Austritt sofort ins Obligo kommen. Sie waren gegangen, weil jemand sagte, die Entsorgung biete irgendwer anders noch billiger an.  Aber das ist ein Trugschluss, denn behaupten kann das zunächst grundsätzlich jeder. Den Nachweis der Entsorgung muss allerdings jeder Hersteller selbst erbringen, indem er die Zahlen über die von ihm in den Verkehr gebrachten Verpackungen von einem Wirtschaftsprüfer testieren lässt und eine Vollständigkeitserklärung an das VE-Register seiner zuständigen IHK abgibt. Erst damit kommt er seiner gesetzlichen Verpflichtung nach. Nur wir können mit unserem geschlossenen System die Entsorgung von Transportverpackungen an allen Abladestellen im Handel gewährleisten. Das sind die ganz entscheidenden Themen: Monitoring, Überwachen, Organisieren.  

MM: Trotzdem wäre es denkbar, einen billigeren Anbieter auf eigene Faust auszuwählen?

Richter: Sie müssen als Hersteller die Entsorgung sicherstellen, was wir mit unserer Solidargemeinschaft tun. Bei Alleingängen ist es sehr schwierig, diesen juristischen Nachweis zu erbringen. Zudem: Selbst große Hersteller wären nicht in der Lage, die Abholung von allen mehr als 3.000 Abladestellen zu stemmen. Wir schon. Aber erst wenn alle mitmachen, kann unser System reibungslos funktionieren.

MM: Mit dem Stand auf der imm cologne wollen Sie also diese Wissenslücken – und damit auch die Reihen – schließen?

Richter: Genau. Viele Hersteller sind sich gar nicht bewusst, dass es sich bei unserem Fachbeirat und seinen Leistungen um eine gemeinsame Organisation handelt. Wir sind ein Solidarkreis, eine Art Genossenschaft, die zusammen die Entsorgung organisiert. Wir haben in Deutschland die wesentlichen Hersteller an Bord. Gerade viele ausländische Produzenten sind aber vielleicht noch nicht gut genug über die Gesetzeslage informiert und bringen Verpackung in den Verkehr, ohne sie anzumelden. Denn die Kosten liegen bei der Masse der Unternehmen oft unter 10.000 Euro p.a. und damit unter dem Radar der Geschäftsleitung. Damit das System rund läuft und kostengünstig bleibt, müssen wir aber alle gewinnen.

Welchen Wunsch haben Sie an den Gesetzgeber?

Richter: Wir fänden es gut, wenn das System auch in seiner Überwachung bundesweit einheitlich funktionieren würde – bislang liegen die Zuständigkeiten dafür in den einzelnen Ländern bei jeweils verschiedenen Ministerien und Behörden. Der Schritt in Richtung einer übergeordneten Kontrolle der Entsorgung von Transportverpackungen könnte die Akzeptanz bei den Produzenten noch erhöhen. Für eine    ausführliche Beratung sollten sich Hersteller an unseren Systemanbieter Interseroh in Köln wenden: www.interseroh.de/systemdienstleistungen. 

Steffen Windschall

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