ZimLog: Der Zug fährt ab!

Gerade in der Möbelbranche wird der Krieg künftig in den Prozessen entschieden. So ist Logistik längst mehr, als ein virulenter Brennpunkt: Im Zeitalter von Digitalisierung, Omnichannel-Herausforderung und steigenden Kunden-Erwartungen mutiert sie zu einem immer kritischeren Wettbewerbs-Faktor. Über das bei Ostermann bereits laufende EDI-Projekt hinaus starteten die Branchenverbände HDH/VDM, VHK Herford, AMÖ und BVDM daher am 18. Februar drei weitere Praxis- Piloten. Damit haben sie die Umsetzung ihrer Vision „Möbellogistik 2020“ in nur fünf Jahren schon beim offiziellen Kick-off ihrer gemeinsamen Zukunftsinitiative ZimLog fest im Blick. Aus Köln berichtet Gerald Schultheiß.

Koordination, Fahrermangel, Wartezeit oder IT: Ein „Weiter so“ ist für alle Beteiligten der Logistik-Kette untragbar,  individuelle Lösungen sind es ebenso. Daher hatten die Branchen-Verbände der Schnittstellen-Bereiche Handel, Industrie und Logistik für ihre Zukunftsinitiative ZimLog die HWH Gesellschaft für Transport und Beratung beauftragt, für die Branche zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln. 

Zum offiziellen Start von ZimLog wurden in Köln diese jetzt präsentiert: Die Herausforderungen der Möbellogistik, eine Vision, Lösungsansätze und deren konkrete Umsetzung. 

Kick-off mit hoher Resonanz

Zum Kick-off hatten die Verbände ca. 60 Teilnehmer aus Industrie, Handel, Logistik und IT erwartet, es kamen  140 – darunter VME-Geschäftsführer Robert Schmandt, Union-Chef Hermann Jäger, Lutz/Giga, Krieger, Porta, Roller, Spilger, Kabs oder Fahnenbruck, aus der Industrie u. a. Maja, Alno, Koinor, Pronorm, Gwinner, Häcker, Himolla, Walter Knoll, Röhr-Bush, CS Schmal, Bauformat, Paidi, Vierhaus, ROM, Leicht, SieMatic und Voglauer, aus der Logistik u. a. Mahlmann, Howelpa, Ahnefeld, Flasche, Global Warehouse oder Jung & Bosch und aus dem Bereich Software u. a. Cogito, Diomex, SHD, bpi und RMTsoft.

Hochkarätige Referenten

Für den Gastgeber Koelnmesse unterstrich Geschäftsführerin Katharina C. Hamma in ihrem Grußwort, dass die immer komplexeren Herausforderungen in der Möbellogistik jetzt gemeinsame, zukunftsfähige Initiativen und Lösungsansätze erforderten.

Die für den Aktionsplan Güterverkehr und Logistik des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständige Regierungsrätin Birgit Faßbender betonte, dass die Branche einen ganz wichtigen Prozess begonnen habe: „Keine Branche kann das digitale Zeitalter ignorieren“, mahnte sie. Dieses sei geprägt von Schnelligkeit, Transparenz und hocheffizienter IT-Technik. Kunden gewöhnten sich an die neuen Vorteile und seien unzufrieden, wenn sie Leistungen unterhalb dieser Bestmarke akzeptieren sollen. Die dazugehörigen Prozesse müssten daher darauf eingestellt werden. Kein an der Kette beteiligtes Unternehmen könne sich ausnehmen. „Ich möchte Sie bestärken, ZimLog umzusetzen. Werden Sie ein Leuchtturm-Projekt, von dem andere Branchen lernen können,“ so Faßbenders Appell. 

Projektleiter Prof. Dr. Paul Wittenbrink, Gesellschafter HWH, Professor für Logistik und Transport an der Dualen Hochschule Lörrach und Autor der Studie „Schnittstelle Rampe“ für das Ministerium, benannte die zehn zentralen Herausforderungen: unzureichende branchenübergreifende Koordination, unzureichende IT-Vernetzung und Standardisierung, veränderte Sendungsstrukturen, Auswirkungen des Internets, hohe Logistikkosten durch Reklamationen, hohe Bedeutung von Sendungen mit dem Ausland und der Möbellogistik generell, Personalknappheit und -kosten, die Anforderungen an Transport und Umschlag sowie die Schnittstelle „Rampe“.

„Bei den hier noch auszuschöpfenden Potenzialen können die Bäume noch gewaltig in den Himmel wachsen“, so sein Fazit. Zwar seien viele der Wertschöpfungs-Partner in sich logistisch optimiert, eine Abstimmung untereinander erfolge jedoch kaum. „Die Zukunft liegt darin, mehr zusammenzuarbeiten. Denn nur gemeinsam können wir branchenspezifische Lösungen finden“, warb er nachdrücklich.

Begros- und Ostermann-Geschäftsführer Rolf Ostermann dankte VHK, VDM, BVDM und AMÖ für die Initiative. Mit Blick auf die Intransparenz von Lieferprozess als auch -termin provozierte er mit der Frage: Wann kommt mein Sofa? „Künftig müssen wir dem Kunden schon an dem Tag, an dem er kauft, sagen: Ihr Sofa wird am 11. April geliefert!“ Mit weniger seien die Kunden nicht mehr zufrieden.

„Wenn wir ihre Erwartungen weiter so sehr verfehlen wie im Moment, gehen wir im stationären Handel ganz schweren Zeiten entgegen. Für eine Branchenlösung haben daher einzelne Lösungen zurückzustehen“ mahnte er und hinterfragte den hohen Individualisierungs-Grad der Produkte und die daraus resultierende Komplexität der Prozesse. „Wir können alles – wir wissen aber nicht wann“, brachte er den Status quo auf den Punkt. Es müsse deshalb ein Weg gefunden werden zwischen Individualisierbarkeit, Lieferprozess und konkretem Termin. 

Rauch-Geschäftsführer Michael Stiehl betonte, dass es ohne standardisierte Prozesse zwischen Industrie und Handel keine Zukunft gebe. Dies untermauerte er mit Effekten der Defizite bei Kommunikation, Warenlieferung und an der Rampe auf Kosten, Lieferzeit und Termintreue. So seien bei Rauch 35 Mitarbeiter nur damit beschäftigt, noch per Fax oder Mail eingehende ABs manuell einzugeben.

Daher bedürfe es mehr Kooperation zwischen Handel, Hersteller und Logistik: „Nur wenn alle Partner der Wertschöpfungs-Kette eng zusammenarbeiten und ihre Prozesse aufeinander abstimmen, gelangt die Ware effizient zum Handel und zum Endkunden“, so Stiehl. Voraussetzung sei ein elektronischen Datenaustausch. 

Die traditionelle Bestellung der Ware müsse durch einen partnerschaftlichen Prozess ersetzt werden. „Gesamtheitlich, übergreifend, standardisiert, elektronisch, ohne Medienbrüche, koordiniert: ZimLog bietet die Riesenchance, das alles jetzt zusammenzubringen – die Zeit dafür ist reif“ so Stiehl.

Ingrid Grube, Geschäftsführerin Röhr Logistik Group, plädierte für Effizienz durch Planbarkeit. Sie bilanzierte, dass der Logistiker in der Regel erst einen Tag vor Verladung die Avis erhalte. Sie wünschte sich u. a. einheitliche Barcodes und drängte auf die Entschärfung des Brennpunkts Rampe. 

Für 2015 bilanzierte sie für alle 143 Fahrzeuge der Gruppe 14.100 Stunden Wartezeit an Handels-Rampen und damit 1,2 Mio. Euro Kosten. Aufgrund des unattraktiven Berufs und des Fahrer-Mangels stiegen zugleich die Löhne, weshalb diese Kosten „untragbar“ seien. „Daher sollte es uns gemeinsam gelingen, durch mehr Genaugkeit und Planbarkeit für alle Beteiligten die Effizienz zu steigern“, so Grube.

Vision „Möbellogistik 2020“

Nach diesen Plädoyers aus der Praxis skizzierte Wittenbrink die Vision „Möbellogistik 2020“: Logistik ist als zentraler Wettbewerbsfaktor erkannt, die Branche arbeitet stetig an einer Verbesserung der Prozesse. Es gibt eine umfassende branchenübergreifende Koordination und Transparenz über die Warenströme. Zudem besteht ein Branchen-Standard für papierlosen Warenverkehr. Zentraler Erfolgsfaktor sind vertikale und horizontale Wertschöpfungs-Partnerschaften. Die Transportnetz-Organisation umfasst Touren- wie auch Netzwerk-Systeme, es existiert ein standardisiertes Corletten-System mit Tausch- und Rückführ-System sowie einem übergreifenden Prozess der Reklamations- und Retourenabwicklung. Für die Rampe bestehen feste Regeln. 

Aus dieser Vision leitete er vier Lösungs-Ansätze ab, die durch drei neue Praxis-Piloten und das bei Ostermann laufende EDI-Projekt vorangetrieben werden sollen. „Um jetzt richtig Druck auf den Kessel zu bekommen, bringen wir Unternehmen in Praxis-Piloten zusammen und entwickeln Standard-Lösungen, die wir flächendeckend übertragen können“, erläuterte Wittenbrink. „Je mehr Unternehmen mitmachen, desto höher ist der Druck, diesen Weg gemeinsam zu gehen.“

Ostermann-Pilot läuft bereits

Der Pilot „EDI für Auftragsabwicklung und Logistik“ zur Etablierung eines Branchen-Standards für eine papierlose Abwicklung des Warenverkehrs wurde von den Branchen-Verbänden bereits bei Ostermann implementiert und geht auf das Nürnberger Gespräch „Brennpunkt Rampe“ des MÖBELMARKT von 2012 zurück. 

Iwofurn-Geschäftsführer Dietmar Weber informierte über seinen Stand: Ziel sind Informationen und Anwendungs-Empfehlungen mit differenzierter Beschreibung von Prozessfolge und Dateninhalten, Empfehlungen für die Umsetzung, ein Leitfaden für den Roll-out und eine Potenzial-Analyse-Möglichkeit. Bei Ostermann sind alle Prozesse bereits in der Warenwirtschaft implementiert, die direkt beteiligten Industriepartner Trio Leuchten, Polipol, Rauch, Express, Nolte Möbel und Nolte Küchen und Nolte Delbrück folgen individuellen Zeitplänen. 

Zielsetzung ist eine hohe Fertigstellung im 3. Quartal, die Überprüfung der Referenz-Erfahrungen, sodann erfolgt der Start des Roll-outs für eine EDI-Branchenlösung. Beteiligte Projektpartner aus der Logistik sind Anton Röhr Logistik, SLC sowie Teutofracht. 

Weitere Piloten starten 

Der erste der in Köln neu gestarteten  Praxis-Piloten ist ein übergreifendes Projekt zwischen Unternehmen zur branchenübergreifenden Planung und Koordination der Warenströme. Der zweite Pilot widmet sich der Abwicklung von Retouren und Reklamationen mittels einer differenzierten Analyse der Ursachen und Ansatzpunkten für deren Vermeidung. Das dritte Projekt zielt auf die Rampe: Es soll Verhaltens-Empfehlungen und soziale Standards für die Schnittstelle entwickeln bis zur Zertifizierung von Rampen.

Für die drei neuen Praxis-Piloten gibt es bereits bereits rund 15 Zusagen: Aus der Industrie u.a. von Rauch, Wiemann, Himolla, Polipol und Häcker, aus der Logistik u.a. von Röhr, Mahlmann oder Ahnefeld sowie aus dem Handel ein weiteres Mal von Ostermann sowie zwei bis drei weiteren großen Filialisten und einem Onliner. 

Appelle zum Mitgestalten

„Damit haben wir die kritische Masse, mit der wir starten“, freute sich Andreas Ruf, Geschäftsführer VHK. „Wir hoffen, dass noch Unternehmen dazukommen. Zumal diejenigen, die von Anfang an dabei sind, gewisse Gestaltungs-Möglichkeiten haben. Nutzen Sie diese Chance!“

AMÖ-Geschäftsführer Dierk Hochgesang legte nach: „Wir haben jetzt eine solide Basis – eine sehr gute Problembeschreibung, eine sehr gute Zielrichtung und eine ausreichende Menge guter Partner, die bereit sind, die Dinge nach vorne zu bringen. Es gibt kein Zaudern mehr: Wir starten jetzt! Und wo gestartet wird, gibt es eine Staubwolke. Alle, die stehen bleiben, müssen irgendwann sehen, wie sie die Wolke wieder einholen. Also nicht abwarten – machen Sie mit!“

Mit dem Startschuss formulierten die Verbände ihre Erwartungen: „Ich wünsche mir, dass es uns bis 2020 gelingt, die Prozesse so zu verbessern, dass
alle profitieren“, so Hochgesang. „Die Bedingungen sind so gut, wie nie.
Ich habe das Gefühl, dass auf allen Seiten ein sehr hohes Einverständnis herrscht, dass Handlungsbedarf besteht. Mein großer Wunsch wäre, dass wir aufhören, Geld zu verbrennen, und lieber Prozesse ermöglichen, die Ihnen allen das Leben erleichtern, es wirtschaftlich ermöglichen und wir am
Ende auch zufriedene Kunden haben.“

„Selbst ideale Unternehmen haben ihre internen Optimierungs-Potenziale weitgehend ausgeschöpft“, betonte BVDM-Geschäftsführer André F. Kunz.

„Es ist an der Zeit, diese in Unternehmen idealtypisch ausgeschöpften Dinge jetzt zusammenzuführen, um aus kleinen Bausteinen nicht „vier mal eins“, sondern vielleicht sogar „vier mal eins plus eins“ zu machen. Denn hierin steckt Optimierungs-Potenzial. Der Zeitpunkt, hier und jetzt damit anzufangen und die Potenziale zu heben, kann kaum richtiger sein!“

Ruf räumte ein, dass die thematisierten Probleme nicht neu waren. „Geändert hat sich aber, dass die Berührungsängste sowohl in vertikaler als auch horizontaler Struktur abgenommen haben und die Bereitschaft, bei übergreifenden Schnittstellen-Themen zu kooperieren, deutlich zugenommen hat. Dahinter steht die Erkenntnis, dass man deutliche Wettbewerbs-Vorteile hat, wenn man Standards nutzt. Und diese leben vom mitmachen, wozu die Unternehmen jetzt bereit sind. Das sehen wir auch heute an der Breite der Teilnehmer. Daher glaube ich, dass wir diesmal eine große Chance haben, einen Schritt weiterzukommen – damit die ,Vision 2020‘ vielleicht keine Vision bleibt“, so der Koordinator des Kick-off-Events optimistisch.

„Es ist alles gesagt: Kooperation – Sie sitzen alle hier, lassen Sie uns beginnen!“ schloss Georg Lange, Leiter Umwelt/Technik HDH/VDM, die Runde.

Hans Strothoff, Präsident BVDM: Brennpunkt Rampe

Eine der großen Herausforderungen in den kommenden 5–10 Jahren in der gesamten Möbelbranche ist der physische Transport der Möbel vom Hersteller zum Handel und auch wieder von dort zum Kunden. Hier gibt es künftig großen Verbesserungsbedarf. Dies hat vielfältige Ursachen wie beispielsweise die unzureichende branchenübergreifende Koordination der Abläufe oder die nur geringe IT-Vernetzung und Standardisierung. Auch die Logistikkosten sind aufgrund eines hohen Reklamationsstandes sehr hoch. Die Optimierungs-Potenziale in den einzelnen Unternehmen sind inzwischen weitestgehend ausgeschöpft. Viele Unternehmen haben ihre „Hausaufgaben“ gemacht. Es gibt eine Reihe sehr guter unternehmensspezifischer Lösungen wie verladen, avisiert und auch entladen wird. Jetzt gilt es weitere Optimierungs-Potenziale in der Abstimmung innerhalb der Lieferkette zu heben. Der beste Zeitpunkt dafür ist jetzt gekommen, denn weiteres Zuwarten wird die Lage nicht verbessern. Diese Optimierungen können aber nur gemeinsam von Handel, Speditionen und Industrie identifiziert und erreicht werden. Daher ist es wichtig, dass jetzt alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette gemeinsam an einem Tisch sitzen und gemeinsame Lösungen entwickeln. Das Projekt ZimLog als gemeinsame Initiative der Verbände der Möbelspeditionen, der Möbelindustrie und des Möbelhandels ist absolut zu begrüßen und zu unterstützen, um gemeinsam auch in 5–10 Jahren noch erfolgreich Möbel verkaufen zu können und den immer anspruchsvolleren Kunden zufriedenzustellen. Dieser erwartet, getrieben und verwöhnt von anderen Branchen, schnellstmögliche Verfügbarkeit und Lieferung „seiner“ Möbel.

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