Experten-Talk
IFH Köln

Als Branchen-Insider liefern unsere MÖBELMARKT-Experten vom IFH Köln Information, Research und Consulting zu handelsrelevanten Fragestellungen im digitalen Zeitalter. Wir haben mit Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln, den Status Quo im Handel beleuchtet und einen Blick in die Zukunft geworfen.

MM: Das IFH Köln belegt in seinen Studien immer wieder die fortschreitende „Amazonisierung“ des Handels. Was macht Amazon anders bzw. besser als der Rest?
Kai Hudetz: Amazon hat seine Aktivitäten konsequenter auf den Kunden ausgerichtet als die Konkurrenz. Zielstrebig wird das Produktangebot immer weiter ausgebaut, die Lieferung immer weiter beschleunigt und der Kundenservice immer weiter verbessert. Zudem ist es Amazon mit „Prime“ gelungen, ein Kundenbindungsprogramm zu etablieren, das die  Customer Journey radikal verändert. Immer mehr Produktkäufe von Prime-Kunden – in Deutschland sind immerhin mehr als 15 Millionen Kunden Prime-Mitglied – beginnen bei Amazon, der Produktsuchmaschine Nummer eins, und enden dort auch direkt. Weitere Anbieter werden häufig gar nicht erst in Erwägung gezogen.

MM: Wie kann der Handel gegen Amazon bestehen?
Hudetz: Zunächst einmal gilt es, von Amazon zu lernen: Die hohe Innovationskraft und -freude, die extreme Kundenorientierung und die datengetriebene Agilität sollten Händler anspornen, ähnlich zu agieren. Ein reines Kopieren ist aber weder sinnvoll noch möglich. Es gilt vielmehr, das Leistungsangebot kundenzentriert zu überprüfen und gezielt zu optimieren. Warum kommen Kunden zu mir? Warum tun sie dies nicht mehr? Mit welchen Mehrwerten kann ich Kunden begeistern und sie an mich binden? Wer sich erfolgreich weiterentwickeln möchte, hin zu einem wirklich kundenzentrierten Händler, der muss zuallererst sehr viel über die Bedürfnisse seiner aktuellen und potenziellen Kunden wissen. Leider gibt es in diesem Bereich noch sehr viel Nachholbedarf.

MM: Fallen Ihnen dazu Beispiele aus dem Möbelhandel ein, die besonders positiv herausstechen?
Hudetz: Ehrlich gesagt fällt mir da als erstes Ikea ein. Es geht bei der Digitalisierung ja um sehr viel mehr als um einen Online-Shop – es geht vor allem um Mehrwerte für den Kunden. Dazu gehören Online-Services wie WLAN im Ladengeschäft, eine App zum Scannen von Produkten oder um „Reservieren und Abholen“, aber auch um neue Ladenkonzepte. Ikea ist ja seit jeher ein Unternehmen, das durchaus kundenzentriert agiert, aber jetzt wird es auch viel innovativer und individueller, wie das neue Haus in Kaarst zeigt. Ich glaube, dass gerade im Möbelhandel auch Konzepte eine Chance haben, die dem Kunden auch mit herkömmlichen Mitteln ein sehr viel besseres Kundenerlebnis bieten, als das bislang zumeist der Fall ist. Dazu gehören beispielsweise eine bessere Beratung, besserer Service oder ein besseres Gastronomieangebot – intelligente digitale Angebote können dann die viel zitierte Kirsche auf der Torte sein.  

MM: Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen. Wo steht der Handel in fünf Jahren?
Hudetz: Versorgungskäufe werden weitgehend ins Internet abgewandert sein, wobei ich den Lebensmitteleinkauf da noch weitgehend ausklammern würde. Aber warum soll ich in den stationären Handel gehen, wenn ich die Batterien, die Socken oder die Rasierklingen bequem, einfach und kostengünstig geliefert bekommen kann? Stationäre Konzepte werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen, auch wenn immer mehr online gekauft wird. In Ladengeschäften wird es zunehmend darum gehen, Marken abzubilden und Erlebnisse zu schaffen. Auf der Fläche können Services und Dienstleistungen angeboten werden, die dem Kunden echte Mehrwerte bieten. Zudem werden wir mehr Technologie am POS sehen, kleinere Flächen und immer mehr integrierte Konzepte. Das können beispielsweise Restaurants, Freizeit- und Sporteinrichtungen sein, wie wir es jetzt schon in manchen Shoppingcentern erleben. Für uns Konsumenten wird es noch besser, als es jetzt schon ist, für den Handel sicher herausfordernd. Denn es sind die Konsumenten, die den Handel mit den stetig steigenden Anforderungen treiben.

MM: Herr Hudetz, herzlichen Dank für dieses Interview und eine besinnliche Weihnachtszeit.


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